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Verlass die Stadt - pp 46-48

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Ist heute Montag, fragt Gudrun, als sie aus dem Bus steigen, dann könnten wir Wodka um einen Euro trinken.
Ja, es ist Montag, sagt Peter, aber glaubst du, das ist noch immer so? Wie viele Jahre waren wir nicht da, bestimmt fünf, oder? Und du denkst, es ist noch immer WOKDAMONTAG? Denkst du das wirklich?
Im Lokal setzen sie sich an die Bar. Für uns bitte Wodka, bestellt Gudrun, mit einer Vorfreude in der Stimme, die Peter an eine Zeit erinnert, die mehr als fünf Jahre zurückliegt.
Irgendwie ist das ganz schön stillos geworden, sagt er.
Sie sehen sich um. In der Ecke: die Musikbox, daneben: das durchgesessene Sofa, im hinteren Raum: der immer besetzte Fußballtisch, und sie müssen nicht aufstehen, um zu wissen, dass dessen Glasscheibe verschmiert ist und dass man D5 drücken muss, um Jeanny zu hören. Die Beleuchtung ist nach wie vor schlecht und über der Theke hängt noch dieselbe bizarre Dekoration: Nackte Barbiepuppen und staubige Plastikrosen. Nur den Kellner kennen sie nicht. Er stellt zwei Gläser vor sie hin: Je ein Euro, und ich würde gern gleich kassieren.
Das hatte noch nie Stil hier, sagt Gudrun.

Nach dem dritten Wodka sagt Peter, und jetzt würde ich gern wissen, was du dir hiervon versprichst. Denkst du, Margot wankt jeden Moment zur Tür herein und setzt sich zu uns an die Bar? Hievt sich auf einen der Hocker und bestellt sich einen Wodka? Fordert uns zum Tischfußball heraus?
Gudrun denkt das natürlich nich, sie wartet darauf, dass das Erinnern losgeht, und jetzt geht es los.
Weißt du noch, wie schlecht sie gespielt hat, fährt er fort. Sie hat kaum noch den Ball erkannt. Wir haben dauernd gegen euch verloren; sie wollte so lange spielen, bis wir gewinnen.
Aber ihr habt nicht gewonnen.
Kein einziges Mal.
Dann ist sie wütend geworden, weißt du noch? Sie hat Max einen halben Liter Bier über den Kopf gegossen. Sie hat uns angeschrien. Und ist hinausgerannt.
Dann habe ich sie nach Hause gebracht. In die Florianigasse.
Ja. Warum eigentlich.
Sie hat mir leid getan. Ich habe mir Sorgen gemacht.
Ich weiß es nicht.
Sie hat dir gleich gefallen, sagt Gudrun, ich weiß nur nicht, warum. Willst du noch spielen, der Tisch ist jetzt frei.
Ich will lieber heim. Fährt der 13A noch?

(Bei dem beschriebenen Lokal handelt es sich um das Debakel. Es sieht dort mittlerweile anders aus und den Vodkamontag gibt es nicht mehr, aber Stammkunden bestätigen es, dass es früher so aussah bzw. so war.)
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Wer in Wien ins Kaffeehaus geht, der geht heim. Ich habe zwar daheim kein Kaffeehaus als Zuhause, aber im Kaffeehaus bin ich selbstverständlich daheim. Wenn wir unser Kaffeehaus betreten, sind wir im Selbstverständlichen eingewohnt. Das Café Bräunerhof ist ein Ort, im welchem die Zeit aufbewahrt wird. Es ist alles wie immer. Echter Marmor, stabile Tische, Plüsch, Zeitungen, Ober im Smoking, das Glas Wasser zum Kaffee, und in der Mitte des Etablissements befindet sich jene Vorrichtung, in der die Zeit gestapelt, gepackt und schließlich vernichtet wird. Allerlei Leute wohnen im Bräunerhof. Sie sitzen, nachdem sie erschienen sind, um die Tische, lesen Zeitung, essen süßes Zeug, das in Wien so bitterlich herrlich schmeckt, nippen an den diversen Kaffeearten, großer Brauner, Melange, Einspänner, Kapuziner, Schale Gold, Mokka, Verlängerter, also sieben Kaffees, bis die Schalen leer sind.
pp 175 from Man ist viel zu früh jung. Essays und Reden by Robert Schindel

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Dieses Gespräch hatte im Volkskundemuseum in der Laudongasse stattgefunden; von dort ist es nicht weit zur Florianigasse, und wenn man dann in deren Richtung weitergeht, an Rathaus und Burgtheater vorbei, kommt man in einer knappen Viertelstunde zum Minoritenplatz und hat hinter sich gebracht einen hübschen Spaziergang selbst dann, wenn die Temperatur so ist, wie sie in jenen Tagen war.
pp 148 from Die große Hitze, oder die Errettung Österreichs durch den Legationsrat Dr. Tuzzi by Jörg Mauthe