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Der Fall des Lemming - pp 237-238

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Söhnlein zaudert, doch er widerspricht dem Lemming nicht. Folgt ihm die Stufen zum Riesenrad hinauf und betritt den leeren Waggon. Die Türen schließen sich. Ein sanfter Ruck, die Fahrt beginnt. Eine Zeit lang herrscht Schweigen zwischen den Männern. Söhnlein blickt aus dem Fenster und heuchelt freundliches Interesse am Panorama. Der Lemming dagegen widmet sich seinem inneren Auge. Es ist ein altes Bild, das vor ihm auftaucht, ein alter Film: Der dritte Mann. Joseph Cotten und Orson Welles – Holly Martins, der Hobbydetektiv, und Harry Lime, der Mörder und Betrüger; die beiden standen genauso da und belauerten einander, während sie das Riesenrad hoch über die Schutthalden des zerbombten Nachkriegswien hob.
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  Riesenrad

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Anläßlich der Wiener Weltausstellung wurde das Hotel Metropol nach Plänen der Architekten Carl Schuhmann und Ludwig Tischler in den Jahren 1871-73 für die Wiener Baugesellschaft errichtet. In der zum Morzinplatz gewendeten Hauptfassade konzertierte sich eine Fülle architektonischer Ausdrucksmöglichkeiten der Epoche. Toskanische Säulen am Portikus, eine große Ordnung aus korinthischen Säulen, die teils überlebensgroßen Figuren als Stütze dienten, teils in paarweiser Anordnung das Gebälk von Flankenvorsprüngen trugen, und eine ädikulagerahmte Uhr inmitten einer vasengeschmückten Attikabalustrade verliehen dem Bauwerk große Plastizität. Der glasüberdachte Innenhof und ein reich ausgestatteter Speisesaal allgemein gerühmt. Das Gebäude wurde von einer Bombe getroffen und brannte aus, von den Fassaden wurde jedoch nur eine Hälfte der Gonzagagassenfront zerstört. Bekanntlich war das Hotel Metropol in der Zeit der deutschen Besatzung Sitz der Geheimen Staatspolizei; die Sprengung der Ruine diente vor allem der Austilgung eines Ortes der Gräuel. Der sogenannte Leopold-Figl-Hof entstand an jener Stelle zu einem Zeitpunkt, als das gestalterische Niveau im Bereich des stadtseitigen Donaukanalufers sich auf einem Tiefpunkt befand. Das vor dem Gebäude angepflanzte Gestrüpp bildete für Jahre die dazu passende Gartengestaltung.
pp 121 from Stadtbildverluste Wien - Ein Rückblick auf Fünf Jahrzehnte by Dieter Klein, Martin Kupf, Robert Schediwy

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"Jetzt weicht Fräulein Kohut einem frech nach ihr tappenden Jugoslawen aus, der ihr eine defekte Kaffeemaschine und seine fernere Begleitung zumutet. Er muß nur noch zusammenpacken. Erika steigt, den Kopf gezielt abwendend, über etwas unsichtbares hinweg und zielt auf die Praterauen ab, in denen der einzelne sich rasch verliert. Sie allerdings strebt keinen Verlust ihrer Person an, sondern eher: Gewinn. Und - angenommen, sie verlöre sich - ihre Mutter, deren Besitzstand sie seit ihrer Geburt mehrt, würde sofort ihre Ansprüche anmelden gehen. Dann suchte das ganze Land nach ihr, mit Presse, Rundfunk und Fernsehen. Etwas zieht Erika saugend in diese Landschaft hinein, und nicht zum ersten Mal heute. Sie war schon öfter hier. Sie kennt sich aus. Die Menschenmeng dünnt aus. Sie zerfließt an ihren Rändern, die einzelnen Individuen streben auseinander gleich Ameisen, von denen jede eine bestimmte Aufgabe in ihrem Staat übernommen hat. Nach einer Stunde präsentiert das Tier dann stolz ein Stück Obst oder Aas.
Eben haben sich an den Haltestellen noch Menschentrauben, Gruppen und Inseln zusammengeballt, um irgendwo gemeinsam hinzustürzen, und nun, da es, von Erika gut berechnet, rasch dunkel wird, erlöschen auch die Lichter menschlicher Anwesenheit. Um die künstlichen Lichter der Lampen hingegen ballt es sich immer mehr zusammen. Hier, im Abseits, befinden sich übergangslos nur mehr jene, die beruflich hier sein müssen. Oder die ihrem Hobby, dem Vögeln oder eventuell dem Berauben und Töten der von ihnen gevögelten Person nachgehen. Manche schauen auch nur ruhig zu. Ein kleiner Rest entblößt sich gezielt bei der Station der Liliputbahn."
pp 138-139 from Die Klavierspielerin by Elfriede Jelinek