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Die Stadt ohne Juden - pp 65-66

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An einem schönen, sommerlich warmen Maimorgen kam vom Westbahnhof her ein Automobil vor das Hotel Bristol gefahren, dem ein eleganter, schlanker, dunkelhaariger Herr entstieg. Der Hoteldirektor musterte mit geübtem Blick den schweren Lederkoffer und das Handgepäck und dann erst den Fremden, dem ein kleines Knebelbärtchen im Verein mit dem aufgezwirbelten und in Wien sehr unmodernen Schnurrbart einen exotischen Anstrich verlieh. Südfranzose! taxierte der Direktor, rechnete rasch im Kopf französische Franken in Kronen um, und beschloß, dem erstaunlichen Resultat gemäß, den Zimmerpreis zu stellen. Auf die französisch vorgebrachte Frage, ob ein Zimmer frei sei, erwiderte er, ein ironisches Lächeln mühsam unterdrückend:
»Jawohl, Monsieur, ein einzelnes Zimmer gefällig oder ein Appartement mit Bad? Mit Aussicht auf den Ring oder nach rückwärts?«
Der Passagier ließ vor Erstaunen das eingeklemmte Monokel fallen.
»Ja, wie ist denn das? Früher konnte man doch ohne vorherige Anmeldung nirgends unterkommen!«
»Mein Herr,« seufzte der Direktor jetzt tief und ehrlich, »Sie waren wahrscheinlich anderthalb Jahre oder länger nicht mehr in Wien! Seither hat sich viel verändert!«
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  No
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  Hotel Bristol

Near fragment in time

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Ich erinnerte mich mit ein wenig Neugier des Praters, wo jetzt zu Frühlingsende, zu Sommersanfang, die schweren Bäume wie riesige grüne Lakaien rechts und links der von Wagen durchflitzten Hauptallee stehen und reglos den vielen geputzten eleganten Menschen ihre weißen Blütenherzen hinhalten. Gewohnt, auch dem flüchtigsten meiner Wünsche sofort nachzugeben, rief ich den ersten Fiaker an, der mir in den Weg kam, und bedeutete ihm auf seine Frage den Prater als Ziel. »Zum Rennen, Herr Baron, nicht wahr?« antwortete er mit devoter Selbstverständlichkeit. Da erinnerte ich mich erst, daß heute ein sehr fashionabler Renntag war, eine Derbyvorschau, wo die ganze gute Wiener Gesellschaft sich Rendezvous gab.
pp 8 from Amok: Novellen einer Leidenschaft by Stefan Zweig

Near fragment in space

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I have just made a complete fool of myself. I went to see Alice to tell her about Herr Huber's visit and on the way back I thought I saw across the width of the Kärntner Ring a figure that I recognized.
Yes, I was sure that I knew that soldier in the uniform of the Bohemian Dragoons with his slow gait and clumsy boots. I even thought I could smell across the heads of the fashionable crowd who promenaded there, the whiff of the raw onions that nothing can prevent Corporal Hatschek from chewing when he is off duty. And my heart raced, excitement coursed through me - and I lifted my skirts ready to hurry across the road.
But the Ringstrasse is wide, the hansom cabs are never in a hurry. By the time I'd reached the other side there was no sign of him.
I'd imagined him then. Conjured him up out of my deepest need. It's not the first time that I've run across the road like a homesick child towards this onion-chewing corporal and found he was a mirage. Well, so be it. There is only one cure for what ails me, and thank heaven I have it in abundance. Work.
pp 41 from Madensky Square by Eva Ibbotson