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Die freudlose Gasse - pp 7

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Das Haus Nr. 55 in der Melchiorgasse, die sich im VII. Wiener Bezirk bis zum Gürtel erstreckt, entstammt der Jahrhundertwende. Wurde also zu einer Zeit gebaut, da Hausbesitzer sein einen Lebensberuf bedeutete. Man war Hausherr, wie man Advokat oder Fabrikant war. Die Frau des Hausbesitzers war Hausbesitzergattin, der Sohn ein Hausherrensohn. Unter allen Großstadtdrohnen war der Hausbesitzer die stärkste und brutalste. In anderen Städten war ein Haus sichere Kapitalanlage, in Wien oft ausschließlicher Erwerb. Es galt, aus einem Haus soviel Profit wie möglich herauszuschlagen, also mit schlechtem Material zu bauen, mit jedem Quadratzentimeter Raum zu sparen, Öfen aufzustellen, die nichts kosteten und auch nicht heizten, die Luft und das Licht in Kabinette zu verwandeln, aus einem Loch, das kaum für eine Speisekammer genügen würde, ein Schlafzimmer zu machen. Modernen Wohnluxus, wie ihn andere Städte haben, gab und gibt es in Wien nicht, er beschränkte sich auf einige Dutzend Mietpaläste, die nur für die ganz Reichen in Betracht kamen.
Das Haus Nr. 55 in der Melchiorgasse ist der Typus des neueren Wiener Miethauses mit finsteren Korridoren, stockdunklen Nebenräumen, abgestohlenen Badezimmern, schäbigem Talmiluxus und einer Fassade voll von abscheulichen, angeklecksten Ornamenten aus Kalk und Mörtel.
  Die freudlose Gasse
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  Melchiorgasse

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Sie trafen einander, wie bestimmt war, am Praterstern. Es regnete in Strömen. Kasimir erschien ohne Schirm, im romantischen Faltenwurf eines Radmantels. Er hatte Billetts für die Nachmittagsvorstellung des Karltheaters in der Tasche. Oh, sie kosteten nichts, er war gut bekannt mit dem Direktor, auch mit einigen Mitgliedern. Man traf zuweilen in Restaurants, auf Atelierfesten zusammen. Nun, Fest, das mußte man nicht so wörtlich nehmen. Aber die Wahrheit zu sagen, es ging manchmal recht fidel dabei zu, wenn auch lange nicht so fidel wie zum Beispiel in Paris bei ähnlichen Gelegenheiten, zum mindesten nicht so ungeniert. Dort gab es einen Künstlerball, bei dem die Modelle völlig unbekleidet tanzten, manche, was vielleicht noch schlimmer war, nur in durchsichtige, rote, blaue, grüne Schleier gehüllt.
pp 91 from Therese. Chronik eines Frauenlebens by Arthur - Schnitzler

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Am frühen Nachmittag machte sich Karl auf die Suche nach Gustav Prenninger, der sich üblicherweise zwischen Prater und Mexikoplatz herumtrieb. Erst nach fast zwei Stunden fand er ihn endlich hinter dem schwer beschädigten Riesenrad. Gustav hatte eben einen Handel abgewickelt und war auf dem Weg zum nächsten Geschäftstermin. Karl schilderte in knappen Worten sein Erlebnis. [...] Zielstrebig und umsichtig marschierten sie in die Lasallestraße, wo Gustav ein Versteck im Keller eines ausgebombten Hauses hatte.
pp 13 from Canard Saigon by Harald Friesenhahn