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Im Fadenkreuz: Österreich und der Nahostterrorismus 1973-1985 - pp 245-246

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Um das Risiko eines vorzeitigen Scheiterns der Operation so gering wie möglich zu halten, fanden die beiden Attentäter erst unmittelbar vor der Ausführung der Tat zusammen. Wäre einer von ihnen zuvor verhaftet worden, hätte er der Polizei keinen Komplizen nennen können. Es war vereinbart, dass sich Rahjih und Hasan um 11 Uhr an der Ecke Rotenturmstraße - Fleischmarkt treffen würden. An gegenüberliegenden Punkten an der Kreuzung postiert, würden sie sich gegenseitig an bestimmten Merkmalen erkennen- und so war es: Hasan trug wie aufgetragen einen schwarzen Rock, eine Blue Jean und eine braune Tasche. Außerdem hatte er sich eien rote Rose ins Knopfloch gesteckt. Rajih wiederum trug wie abgemacht eine braune Jacke sowie einen grünen Hut. Beide Kleidungsstücke hatte ihm der Führungsoffizier genau zu diesem Zweck bei dem Treffen im Cafe übergeben. Was nach dem Erkennen zu tun war, hatte der Führungsoffizier Rajih so eingeschärft: „Wenn Du deinen Partner gesehen hast, gehst Du an die Rückseite der Synagoge und feuerst, wenn der andere an der Vorderseite angefangen hat, zu kämpfen“ Um 11.15 Uhr an der besagten Kreuzung war es dann soweit: Die beiden Männer verharrten zunächst ungefähr eine Viertelstunde jeder an seinem Platz, ohne Kontakt, auch nicht in Form von Handzeichen oder Kopfnicken. Als Rajih von seinem Standplatz aus wahrnahem dass die ersten Gläubigen das Bethaus durch den Hinterausgang zu verlassen begannen, was dies das „Startzeichen“. Im Bericht der Staatspolizei heißt es: „Beide Personen traten vor der Aktion nicht in Verbindung, sondern gingen gesondert, jeder für sich nach dem Erkennen seines Gegenübers in verschiedene Richtungen und starteten die Aktion. Rajeh ging über den Fleischmarkt Richtung Sterngasse, während der andere Mann über den gegenüberliegenden Gehsteig in der Seitenstettengasse verschwand.“ An der dortigen Adresse Nr. 2 und Nr. 4 waren ungefähr 200 Gläubige im Inneren des Stadttempels bzw. des danebengelegenen Jüdischen Gemeindezentrums versammelt. Anders als üblich, leerte sich an diesem Samstag die Synagoge um 11.30 Uhr, nach Ende des Gottesdienstes, nicht gleich: Nach Abschluss der Bar-Mizwah-Feier für den zwölfjährigen Sohn des „Schöps“-Teilhabers Stühler blieben circa 150 Personen im Haus. Viele gingen gleich durchs Gebäudeinnere in das jüdische Restaurant „Caesarea“. Dieser Umstand mag vielen der Anwesenden das Leben gerettet haben. Die restlichen Tempelbesucher traten teils durch den Haupteingang auf die Seitenstettengasse, teils durch den Hintereingang auf den Platz vor dem Haus Fleischmarkt 1 B und den Stiegenabgang zum Fleischmarkt. Auf diese rund um den Stadttempel verstreute Personengruppe hatten es die Terroristen abgesehen: Auf dem Weg zum Ziel war Rajih an einem der beiden Polizeibeamten vorbei gegangen, die zum Schutz der Synagoge abkommandiert waren und blieb schließlich in der Sterngasse, dem Polizisten den Rücken zukehrend, kurz stehen. Da krachten aus der Seitenstettengasse bereits die ersten Schüsse und der 14jährige Sicherheitsbeamte Raimund R. lief los, um seinem Kollegen, der diesen Abschnitt überwachte, zu Hilfe zu kommen. Doch kam er nicht weit: Rajih hatte mittlerweile die Maschinenpistole aus der mitgeführten Tasche hervorgeholt und einige gezielte Schüsse abgeben, die den Polizisten im rechten Gesäßbereich verletzt und niederstürzen ließen. Weiter vorne hatte Marwan Hasan, nachdem er den Tempeleingang passierte, aus einer Entfernung con füng bis sechs Metern nacheinander drei Splitterhandgranaten gegen eine Gruppe von 10 bis 15 Tempelnbescuher geworfen. Deren Splitter verletzten dden dort Wache schiebenden Polizisten Wolfgang H. und zahlreiche weitere Personen- darunter die 5jährige Keren Rosenbaum- die sich vor dem Haupttor aufgehalten hatten. Bid einem der Verletzten, dem Polizisten H., dragen alleine ins rechte Bein 60 Splitter ein, da die erste Granate nur 1,5 meter von ihm entfernt explodiert war. Nur das Eingreifen von Rudolf Vesztergombi, Leibwächter des in der Synagoge anwesenden Textilgroßhändlers Karl Böhm („Schöps“), durfte weitere Opfer verhindert haben.
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  Textilviertel

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Wo die Wipplingerstraße den Tiefen Graben überquert, hart an der Hohen Brücke, befand sich schon im frühesten Mittelalter ein kleines Gasthaus. Es führte ehemals den Namen "Zum Weingott Bacchus", doch nach den Schrecken der Türkenbelagerung sollte es sein Schild ändern.
Der Wirt des Bacchusschankes, Ambros Frank, hatte so tapfer auf den Stadtwällen gefochten, daß er mehr als einen Türken hingestreckt und manchen krummen Türkensäbel und Turban zur Beute gewonnen hatte. Und als der grimmige Gegner endgültig verjagt war und endlich der Friede in der schwergeprüften, schönen Kaiserstadt seinen Einzug hielt - da hängte der tapfere Weinwirt einen krummen Säbel, an dem noch Feindesblut zu sehen war, als Wahrzeichen in seiner Schenkstube auf, gerade unter den Bildern der beiden ruhmgekrönten Heerführer, des Grafen Starhemberg und des Bischofs Kollonitz. Der immer schlagfertige Wiener Volkswitz benannte nun den kleinen Bacchusschank bald "Zum roten Sabelkeller", denn von der Wipplingerstraße aus führten viele Stufen in die Wirtsstube hinab, die im Tiefen Graben zu ebener Erde lag.
Es dauerte nicht lange und der "Rote Sabelkeller" wurde eine Wiener Berühmtheit. Jeder wollte von dem tapferen Ambros hören, wie er gegen die grausamen Türken gefochten und sie verjagen geholfen hatte. Und eine zweite Merkwürdigkeit des Kellers war, daß dort der berühmte Dudelsackpfeifer Augustin seine frischen Lieder sang.
Jeden Mittwoch und Samstag abends drängten sich die Wiener Bürger in die kleine Schenkstube, um den lieben Augustin zu hören, der stets voll übermütiger Schwänke war. Auch alle die Studenten der Universität scharten sich um Augustin, und viele vornehme Junkerlein wollten seine Lieder lernen. Sie hielten ihn dafür zechfrei und warfen obendrein noch manch ein blinkendes Geldstück in Augustins spitzen Pfeiferhut. Der liebe Augustin aber lächelte verschmitzt, strich sich seinen braunen Schnurr- und Kinnbart und summte sein Lieblingslied vor sich hin:

"O du lieber Augustin,
Alles ist hin,
's Geld ist hin,
's G'wand ist hin
Und selbst das reiche Wien,
Arm ist's wie Augustin."

"Aufhören, Augustin, aufhören!" riefen die Studenten, "das Lied vom lieben Augustin kennen wir schon auswendig. Erzähl lieber was von deinen Abenteuern!" Der schlaue Augustin aber hielt ihnen seinen spitzen Hut hin, und als viele Münzen darin klingelten, legte er den Dudelsack beiseite und hub zu erzählen an. "Wie ihr wißt, meine Lieben, bin ich ein echtes, rechtes Wienerkind. Beim 'Roten Hahn' auf der Landstraße ist meine Wiege gestanden, aber meine Eltern haben das Essen und Trinken besser verstanden als das Wirtschaften und Sparen, und da ist's halt bald mit der ganzen Wirtschaft bergab gegangen. Um mich, ihr einziges Kind, haben sie sich nie so recht gekümmert. Wie's ihnen noch gutgegangen ist, haben sie alle Hände voll zu tun gehabt, die vielen Gästen zu bedienen, und keine Zeit gehabt, auf mich zu schauen. Dann aber, als sie im Elend waren, haben s' erst recht nicht auf mich geschaut. So bin ich aufgewachsen wie ein wildes Füllen und wär' gewiß elend verdorben und gestorben, wenn nicht ein alter, braver Spielmann sich meiner angenommen hätte. Der bucklige Harfenmichl, wie er hieß, hatte in früheren, guten Tagen manche Wohltat im Haus meiner Eltern empfangen, und zum Dank dafür lehrte er mich Dudelsack und Harfe spielen. Ich mußte den alten, halbblinden Mann führen, ihm Dudelsack und Harfe nachtragen und mit meiner frischen Stimme Lieder zu seinem Spiel singen. Auch auf seinen großen Wanderfahrten mußte ich ihn begleiten und, schaut, da hab' ich mehr erlebt als mancher!
Einst war ich im Rathauskeller einer Stadt am Rhein. Mein alter Meister lag krank daheim, und ich mußte allein das liebe Brot suchen gehen, wenn wir nicht beide am Hungertuche nagen wollten. Dort hatten sich, wie heute hier, lustige Studenten und Junker um mich gesammelt. Ich mußte spielen und singen. Märlein und Schnurren wurden erzählt, mit selbsterlebten und auch mit erdichteten Abenteuern wurde geprahlt. Aber in die beste Unterhaltung platzte auf einmal der Wirt hinein, ein gar grober Kumpan. Zornesrot rief er: 'Aus ist's mit dem Zechen, meine feinen Junkerlein! Ich borge nichts mehr! Und wenn ich nicht zuerst mein Geld habe, gibt's auch keinen Wein mehr!' Da gab es traurige und bestürzte Gesichter an der Tafelrunde. Einige fuhren rasch mit der Hand in die Tasche, um sie aber bald beschämt leer hervorzuziehen. Andere drehten gar ihre Taschen um, aber nicht das kleinste Silbermünzlein wollte herausfallen. Ärgerlich wollten die Studenten die Wirtsstube schon verlassen, als sich plötzlich ein Fremder erhob, der bis dahin unbeachtet in einer Ecke gesessen war.
'Wenn ich den Junkerlein aushelfen dürfte!' rief er mit seiner unheimlich dünnen, krähenden Stimme und warf einen strotzenden Goldbeutel auf den Zechtisch hin. Mir lief ein Schauer über den Rücken hinunter, denn der Fremde sah gar zu fürchterlich aus, wie er so dastand in einem knappen, blutroten Gewand. Auf dem Haupte hatte er einen Hubertushut mit einer roten Hahnenfeder, sein Gesicht war gelblich und faltig, und ein Paar glühende Augen leuchteten daraus hervor. Außer mir schien niemandem die absonderliche Erscheinung des Fremden aufzufallen. Die Studenten waren ja zu gierig, nach der angebotenen Hilfe zu greifen. 'Wann sollen wir Euch das Geld zurückzahlen?' fragte Rembold, der tapferste unter den Studenten. Der Fremde brach in ein widerliches Lachen aus, streckte seine krallenartigen Finger wieder nach der auf dem Tische liegenden Geldbörse aus und schob sie mit einem Ruck in die Tasche zurück. 'Junkerlein', sagte er, 'ihr könnt Geld haben, soviel ihr wollt.' Und dabei klingelte er mit den Münzen in seiner Tasche. 'Soviel ihr wollt! Ich stelle nur eine Bedingung: Einer von euch muß mit mir gehen!' O weh, nun wußte ich, wer der Fremde war . . . Schon wollte ich meinen Nachbar leise warnen, daß er sich mit dem Mann ja nicht einlasse. Denn das war gewiß, ganz gewiß ... der leibhaftige Teufel! Doch konnte ich meine Warnung nicht vorbringen. Die Studenten hatten dem Weine zugesprochen und huben zu unterhandeln an.
'Wer soll denn mit Euch gehen, werter Herr?' fragte Rembold. 'Das könnt ihr unter euch ausmachen!' krähte der Unheimliche. 'Dann soll das Los bestimmen!' jubelten die Studenten, denn dies war ein neuer Spaß für sie. 'Gut! Loset!' sagte der Fremde. 'Aber der, den das Los trifft, der muß als letzter aus der Kellertür gehen und mit mir kommen!' - 'Es gilt!' riefen die Studenten. Einer schrieb eiligst die Lose auf Pergamentblättlein, ein zweiter ergriff meinen Pfeiferhut und schüttete die Lose hinein, und nun begannen die Studenten der Reihe nach ein Blättchen zu ziehen. Das verhängnisvolle Los traf ein blutjunges Gräflein. Der unheimliche Fremde warf den Goldbeutel auf dem Tisch, und im allgemeinen Jubel gelang es mir endlich, dem Opfer des Bösen ein Wörtlein unbemerkt zuzuflüstern. Er drückte mir verstohlen dankbar die Hand.
Der Wirt, dem nun bezahlt wurde, trug reichlich auf und brachte immer neue Kannen blinkenden Rheinweines herbei. Es war schon gegen Morgen, als die Studenten endlich sich anschickten, den Keller zu verlassen. Ich war ganz müd und matt, auch ganz heiser schon von dem vielen Singen. Gespannt wartete ich nun den Ausgang des Vertrages ab und ob das Gräflein meinen Rat befolgen würde.
Die Studenten verließen im Gänsemarsch, einer hinter dem anderen gehend, den Rathauskeller. Der rote Fremde hatte sich an die Tür aufgestellt und blickte lauernd auf den Zug. Ich legte mich anscheinend gleichgültig auf die rauchgeschwärzte Ofenbank hin, wo fahrende Spielleute ihr Bett haben. Ich war ja nicht zu den Zechern gezählt worden und hatte nicht mitlosen müssen. Der Ausmarsch der vielen Studenten dauerte schon eine ganze Weile - endlich kam das Gräflein daran. Der unheimliche Fremde wollte sein Opfer schon fassen, da sagte der junge Graf kaltblütig: 'Ihr irrt, werter Herr, ich bin nicht der letzte, hinter mir geht noch einer!' und wies auf seinen Schatten hin. Das Frührot fiel blendend durch die weitgeöffnete Tür zum Keller herein und blendete auch die Augen des lauernden Teufels, so daß er den Schatten des Grafen wirklich für einen letzten Studenten hielt. Mit scharfem Griff fuhr er auf den Schatten los, während das Gräflein glücklich entkam."
Lächelnd schloß der liebe Augustin seine Erzählung. "Bravo, bravo!" riefen die Wiener Studenten, "das habt Ihr fein gemacht, Meister Augustin. Erzählt uns nun einen Schwank, lieber Augustin", baten die Junker. . . "Es ist Sperrstunde, meine Herren!" mahnte Ambros Frank, der Wirt. "Gleich wird die Stadtwache die Runde machen!"
Bald hörte man auch richtig das Horn der Nachtwächter, und der "Rote Sabelkeller" schloß sein Tor hinter dem letzten Studentlein, das sich noch scheu umblickte, ob nicht ein roter Teufel nach ihm auf der Lauer läge.
pp 78- from Augustin im Sabelkeller by Berit, Wolfgang Mrugalska, Morscher

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Es gab zahlreiche Tore: […] das Werdertor (Kreuzung Concordiaplatz/Heinrichgasse/Salzgries), das Salztor (Kreuzung Salztorgasse/Salzgries)
pp 203 from Wien – Geschichte einer Stadt – Von den Anfängen bis zur Ersten Türkenbelagerung by Ferdinad Opll, Peter Csendes