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Das Vaterspiel - pp 158-159

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Es wird gleich dunkel, wo bleibt sie nur? Ich hab von diesem Lehrer keine Telefonnummer, ich weiß ja nicht einmal den Namen.
Gerhard heißt er, sagte ich.
Du kennst ihn?
Ja, ich habe ihn am Samstag im U4 gesehen.
In der Disco? Wieso, ist der noch so jung?
Ungefähr in meinem Alter, vielleicht ein Jahr jünger. Im U4 ist er mit seiner Band aufgetreten.
Mit seiner Band. Warum sagt mir das keiner? Wie heißt die Band?
Die Geilen Säcke.
Wie? Das darf doch nicht wahr sein. Was weißt du noch über ihn?
Er sieht vielleicht etwas ungewöhnlich aus, aber er ist ganz nett.
Was heißt ungewöhnlich aussehen? Hat er lange Haare?
Nein, eher wenige Haare. Ein Teil fehlt, der andere Teil steht ihm dafür zu Berge.
Was erzählst du da?
Er hat einen Irokesenschnitt. Und viel Leder und Eisen. Wie Punks halt aussehen.
Ich weiß nicht, wie Punks aussehen, ich kenne keine Punks. Bring mich sofort hin.
Ich kann es dir beschreiben, aber ich bringe dich nicht hin. Meine Schwester ist kein Kind mehr.
Kein Kind? Natürlich ist sie ein Kind. Was soll sie sonst sein mit sechzehn Jahren. Sag mir, wo das ist.
Und so beschrieb ich meiner Mutter das Haus am Sechshauser Gürtel und erklärte ihr, wo sich der Kellereingang befand. Die Geilen Säcke waren nicht nur eine Band, sondern auch eine Wohngemeinschaft. Sie hatten im Nachbarhaus einen Keller gemietet und ihn zum Proberaum ausgebaut. In dem großen, von der Straßenseite her begehbaren Raum hatte davor ein alter Tischler gearbeitet. Er war in Pension gegangen und hatte die meisten Maschinen verkauft. Den Großteil des Werkzeugs und die restlichen Holzvorräte hatte er seinen Nachmietern überlassen, die daraus in den Keller einen zweiten, schallisolierten Raum hineinbauten. Als ich Klara die ersten Male vom Sechshauser Gürtel abholte, waren sie damit noch nicht fertig. Ich sah mir die Konstruktion genau an. Der innere Raum war mit Dämmmaterial gegen Schall isoliert. Seine Wände hielten zu den Mauern und zur Decke des Kellers etwa 20 Zentimeter Abstand, ohne sie je zu berühren, sodass keine Schwingungen auf das Gebäude übertragen werden konnten. Der Proberaum war so gut isoliert, dass man auf die Straße hinaus nicht einmal das Schlagzeug hören konnte. Siebzehn Jahre später sollte ich diesen Raum in den USA nachbauen
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Er fand es großartig, ehe er in orkanartigen Husten ausbrach. Wie der Erfolgsautor der "Elementarteilchen", den ich im Rabenhoftheater bei einer Lesung erlebt hatte, hatte dieser Patient einen unverkennbaren Modus zu rauchen. Und wie jener hatte er die Zigarette zwischen Mittel- und Ringfinger gepresst, so dass dem Glimmstängel, wäre es ein Mensch gewesen, gewiss die Luft weggeblieben wäre. Houllebecq hatte seine Nikotinsucht, seinen schweren Alkoholismus sowie pathologischen Sexismus durch eine konservativ gekleidete Dolmetscherin pluralistisch, nihilistisch und obszön von der Rabenhof-Bühne aus verkündet.
pp 35 from Herzlos by Monika Wogrolly

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Eines Tages fuhr meine Großmutter, ohne das Wissen ihres Mannes, mit der Bahn nach Wien, im mich, ihr Enkelkind, zu sehen. Mein verblüffter Großvater fand am Nachmittag, als er von der Schule heimkam, eine entsprechende Nachricht vor. Er setzte sich sofort ins Auto und fuhr ebenfalls nach Wien. Eigentlich wollte er meine Großmutter daran hindern, die Wohnung ihrer Tochter zu betreten, aber er kam zu spät.
Meine Eltern wohnten damals in einer kleinen Gemeindewohnung in der Bonygasse im Stadtbezirk Meidling, nicht weit von der Gemeindewohnung meiner Wiener Großeltern, aber auch nicht weit von der Hauptschule am Henriettenplatz, von der meine Mutter ein paar Monate früher in Mutterschaftsurlaub gegangen war. Als mein Großvater bei der Wohnung eintraf, läutete er und rief, ohne eine Reaktion abzuwarten, meiner Großmutter zu, sie solle sofort herauskommen. Meine Großmutter öffnete die Tür. Mein Großvater sah mich in den Armen der Großmutter und war zunächst sprachlos. Miene Großmutter sagte: Du kannst hereinkommen, er ist nicht da. Mein Großvater kam auf mich zu, kitzelte mich unterm Kinn und folgte uns in die Wohnung. Von da an gab es ein paar Jahre, in denen meine Eltern und die Scheibbser Großeltern miteinander verkehrten. Meine Mutter fuhr mit mir zwei-, dreimal im Jahr nach Scheibbs. Mein Vater war hin und wieder dabei. Meist fuhr er nach einem Begrüßungsschluck gleich wieder fort
pp 69-70 from Das Vaterspiel by Josef Haslinger