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Das Vaterspiel - pp 181-182

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Mimi war noch irgendwo verabredet und musste gehen. Ich bot ihr an, den Kaffee zu zahlen, sie ließ es nicht zu. Sie schrieb ihre neue Adresse auf eine Serviette: Mondscheingasse. Sie sagte, das sei eine Seitengasse von der Neubaugasse, zwischen Mariahilfer Straße und Burggasse. Ich solle bei Safranski klingeln. Sie schrieb mir auch diesen Namen auf die Serviette. Zum Abschied gaben wir uns die Hand.
Bis nächste Woche, sagte ich.
Sie antwortete: Wenn der Vormieter bis dahin seine Sachen abholt. Wahrscheinlich sehen wir uns vorher noch am Institut.
Ich sah sie an den Fenstern vorbeigehen, hinunter Richtung Votivkirche. Ich blieb noch ein wenig sitzen, dann fuhr ich zu meinem Großvater in den Stadtteil Meidling. Als wir noch in der Nähe im Gemeindebau gewohnt hatten, war ich oft, wenn er etwas Handwerkliches getan, zum Beispiel die Wohnung ausgemalt hatte, bei ihm gewesen. Mein Wiener Großvater machte alles selbst. Er hatte auch die meisten Möbel selbst hergestellt. Dabei hatte er keinen großen Kellerraum zur Verfügung. Er schob im Wohnzimmer den Esstisch zur Seite, rollte den Teppich ein, legte auf dem Fußboden Zeitungen aus und stellte Zimmerböcke darauf. Das war seine ganze Werkstatt, Zimmerböcke im Wohnzimmer. Darauf wurde gebohrt, gesägt, gehämmert, geschraubt, gekittet und gestrichen. Nichts stellte er auf dem Boden ab. Alles ruhte immer auf den Zimmerböcken. Und wenn er ausmalte, verwendete er, um die Decke zu erreichen, nicht eine Leiter, sondern stellte auch dafür die Zimmerböcke auf und legte ein dickes Brett darüber. Als Kind hatte ich ihn einmal gefragt, warum diese Dinger Böcke heißen, und er hatte geantwortet, weil sie vier Beine haben, einen Kopf und einen Schwanzstummel, wie Böcke eben.
  Das Vaterspiel
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Er fand es großartig, ehe er in orkanartigen Husten ausbrach. Wie der Erfolgsautor der "Elementarteilchen", den ich im Rabenhoftheater bei einer Lesung erlebt hatte, hatte dieser Patient einen unverkennbaren Modus zu rauchen. Und wie jener hatte er die Zigarette zwischen Mittel- und Ringfinger gepresst, so dass dem Glimmstängel, wäre es ein Mensch gewesen, gewiss die Luft weggeblieben wäre. Houllebecq hatte seine Nikotinsucht, seinen schweren Alkoholismus sowie pathologischen Sexismus durch eine konservativ gekleidete Dolmetscherin pluralistisch, nihilistisch und obszön von der Rabenhof-Bühne aus verkündet.
pp 35 from Herzlos by Monika Wogrolly

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Schäfer brauchte jemanden, der psychologisch geschulter war als er, einfühlsamer und erfahrener. Doch keinen der üblichen Gerichtspsychiater, die sich als Profiler selbst profilieren wollten und ihm sagten, dass der Täter männlich war, zwischen fünfundzwanzig und fünfundvierzig und vermutlich irgendwann ein schweres Trauma erlitten hatte. Er brauchte jemanden, der ihn die Beweggründe fühlen ließ. Der ihm die Köpfe und Herzen dieser Monster öffnete. Schäfer wischte mit dem Mantelärmel über eine nasse Sitzbank hinter der Votivkirche, setzte sich und nahm sein Telefon heraus.
pp 165 from Ohnmachtspiele by Georg Haderer