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Gegen einsam - pp 51

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Es ist ein kleines Restaurant mit dem Namen "Beijing". Es stehen vier Tische darin, an denen jeweils vier Personen Platz finden. Es ist ein "Eine-Frau-Unternehmen". Seine Besitzerin heißt Lin. Im "Beijing" gibt es keine Speisekarte. Man geht zum Naschmarkt hinüber, schlendert durch die Reihen der Verkaufsstände mit frischem Obst und Gemüse, Seefisch, Fleisch und Käse, kauft Zutaten und bringt sie Lin, die daraus die köstlichsten Speisen zaubert. Sie ist eine Meisterin im Würzen und Kreieren von Saucen. Für die Zubereitung zahlt man je nach Aufwand zwei bis drei Euro. Die Getränke kauf der Gast im Lokal. Manchmal hat Lin einen Thementag. Heute ist es "Essen auf Safari". Sie lacht, als ich ihr einen halben Oktopus, Zitronengras und Bambussprossen bringe.
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Ich stehe von dem Spiegel. Trage Make-up auf. Eine dünne Schicht. Eine Maske. Die Farbe des Lippenstifts passt zu meinem Haar. Manchmal, wenn ich es nicht aushalte, mein Körper mich an verschiedenen Stellen zu jucken beginnt, rufe ich in der Kanzlei an und behaupte, dass ich Kopfweh habe oder Grippe. Ich schminke mich ab. Schlüpfe aus meinem Arbeitsgewand. Ziehe je nach Jahreszeit eine Weste über oder einen Mantel, deren Kapuzen ich tief ins Gesicht schiebe, fahre zu einer Fakultät der Universität Wien, setze mich in einen Hörsaal mit Medizinstudenten oder einen, in dem eine Vorlesung über alte Geschichte stattfindet. Ich verstehe den Stoff, der aus dem Zusammenhang gerissen ist, nicht, lausche den Stimmen der Vortragenden, betrachte die Gesichter meiner Mitstudenten und bin glücklich.
pp 61 from Gegen einsam by Daniela Meisel

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Ich ging über den Naschmarkt. "Kosten Sie, kosten Sie, kosten Sie", kam es von rechts und links. Falafeln, Beeren, Schinken, Käse, Nüsse. Ein Spießrutenlauf durchs Angebot. Mittlerweile war der Naschmarkt eher zur Fressmeile geworden. Immer mehr Lokale hatten aufgemacht, immer mehr Stände verschwanden. Eines der vielen asiatischen Restaurants hatte in sein Fenster geschreiben: 'Bei uns wird der Fisch "frisch" zubereitet.' Jedes Mal, wenn ich dran vorbeikam, überlegte ich, ob ich hineingehen sollte, um ihnen zu erklären, dass die Anführungszeichen unglücklich gesetzt waren und man als Kunde das Gefühl hatte, in beunruhigend stinkenden Fisch beißen zu müssen.
pp 165 from 6 Österreicher unter den ersten 5 by Dirk Stermann