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Zores - pp 102-103

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Er betrat auf der Alserstraße direkt neben der Beethovenkirche ein Stehkaffee und bestellte sich eine Schale Gold, ehe er sich, während er auf das Heißgetränk wartete, eine Zigarette anzündete. Am Nebentisch unterhielten sich flüsternd zwei Arbeiter. An Bronsteins Ohr drangen nur einzelne Gesprächsfetzen.
"... der Hitler lasst uns ned hängen. Der kommt, wirst sehen!"
"... aber die Volksabstimmung ..."
"Wirst sehen, die is´ wurscht. Zur Not gibt´s halt an Putsch. Ein erfolgreichen diesmal. Und dann sand´s weg, die ganzen Ostler. Wien wird judenrein, das sag´ ich Dir."
Der zweite Arbeiter, der eben noch skeptisch und bedrückt gewirkt hatte, richtete sich auf. Um eine Nuance lauter sagte er: "Ma, des warat sche. Endlich weg mit de Gfraster. Juden, Zigeiner, Monarchisten, Sozialisten, Kommunisten, Christen, Hahnenschwanzler, ... olle weg! Waun I kenntat, wia I wolltat, I schoffat des ollas o. Heit no."
Bronstein fühlte eine tiefgreifende Übelkeit in sich aufsteigen. In großen Schlucken trank er seinen Kaffee aus und flüchtete sodann eilends aus dem Lokal. Er passierte das Landesgericht, überquerte die Zweierlinie und hielt auf die Universität zu. Dort hielten die politischen Manifestationen an, und in Bronstein machte sich allmählich Panik breit. Immer schneller ging er, bis er am Ring schon fast ins Laufen kam. Beinahe ohne auf den Verkehr zu achten, wechselte er die Straßenseite und befand sich endlich vor dem Präsidium.
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Auf dem Weg in den 19. Bezirk, einem Nobelviertel Wiens, schaltete Marc die Freisprecheinrichtung in seinem Wagen ein. [...] In der Gatterburggasse angekommen, parkte Marc vor einer großen Villa ein. [...] Marc klingelte an der Gegensprechanlage. Sandra hatte den Termin telefonisch vereinbart. Ein Summer ertönte und öffnete das große Tor zur Hofeinfahrt. Am Ende der Einfahrt führten auf der rechten Seite Stufen nach oben. Neben dem Treppenaufgang war ein Lift an das Gebäude angebaut. Seltsam, dachte Marc. Ein nachträglich angebauter Lift in einem einstöckigen Gebäude.
pp 392-393 from Canard Saigon by Harald Friesenhahn

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Dieser Mann, der junge Analphabet, dessen Schicksal dem Stadtrat in einem Akt vorlag, ein Hilfsarbeiter, in seiner Arbeit auf einfachste Verrichtungen beschränkt, trieb den größten denkbaren geistigen Aufwand, um vorzutäuschen, lesen und schreiben zu können. Hätte er diese seine Kraft, die mehr oder weniger lesende und schreibende Umgebung zu täuschen, dafür aufgewandt, lesen und schreiben zu lernen, dann hätte er gewiß sehr schnell in – Lichteneggers ZEITUNG zum Beispiel – die entscheidenden Artikel geschrieben. In der ganzen Stadt, nein, im Ganzen Land, hätte man sich über seinen scharf formulierten Thesen den Kopf zerbrochen und das Maul zerrissen; er wäre die heißen Themen immer kühl angegangen, wäre streitbar gewesen, polemisch, hätte kein heißes Eisen unberührt und sich kein Denkverbot auferlegen lassen. Man hätte ihn hören können, wie er im Hörsaal I des Neuen Institutsgebäudes für die Studenten des Instituts der Zeitungswissenschaften las, und wie er nach dem Ende seiner Vorlesung einer jungen, heftig studierenden Damen persönlich/ privat ins interessierte Ohr sagte: „Hören Sie, in jedem guten Schreiber steckt ein Analphabet …“
pp 85-86 from Der Stadtrat by Franz Schuh