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Der Tod Georgs - pp 115

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Am Rande des Neptunbrunnens stand Paul still. Über der steinernen modergrünen Rückwand schien das Schwarz des Tannenhintergrundes zu einer Höhle sich zu vertiefen, aus der steinerne Hippocampen sprengten. Braune Blätter lagen wie eingewebt in dem dünnen zerknitterten Schleier, zu dem die Oberfläche des Wassers zu erstarren begann. Von den großen Goldfischen in der Tiefe drang nur ein matter roter Schein durch das Dunkel nach oben. Nur kurze Zeit - Minuten - waren vergangen, seit er hier an derselben Stelle gestanden hatte; aber wenn er daran dachte, schien es weit hinter ihm, wie längst Vergangenes, zu liegen. Damals hatte er sich abgemüht, um das zu finden, woran ihn der Teich und die Fische erinnerten. Mit gierig schnappenden Lippen hatten die sich ans Ufer gedrängt und dann satt sich sinken lassen, bis sie nur wie große Blutstropfen aus der Tiefe schimmerten. Nun wußte er, welche Erinnerung sie in ihm geweckt hatten.
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Das ist nicht schlecht, jetzt bin ich gar im Prater... mitten in der Nacht... das hätt' ich mir auch nicht gedacht in der Früh', daß ich heut' nacht im Prater spazieren geh'n werd'... Was sich der Sicherheitswachmann dort denkt?... Na, geh'n wir nur weiter... es ist ganz schön... Mit'm Nachtmahlen ist's eh' nichts, mit dem Kaffeehaus auch nichts; die Luft ist angenehm, und ruhig ist es.. sehr... Zwar, ruhig werd' ich's jetzt bald haben, so ruhig, als ich's mir nur wünschen kann. Haha! – Aber ich bin ja ganz außer Atem... ich bin ja gerannt wie nicht g'scheit... langsamer, langsamer, Gustl, versäumst nichts, hast gar nichts mehr zu tun – gar nichts, aber absolut nichts mehr! – Mir scheint gar, ich fröstel'? – Es wird halt doch die Aufregung sein... dann hab' ich ja nichts gegessen... Was riecht denn da so eigentümlich?... Es kann doch noch nichts blühen?... Was haben wir denn heut'? – Den vierten April... freilich, es hat viel geregnet in den letzten Tagen... aber die Bäume sind beinah' noch ganz kahl und dunkel ist es, hu! Man könnt' schier Angst kriegen Das ist eigentlich das einzigemal in meinem Leben, daß ich Furcht gehabt hab', als kleiner Bub, damals im Wald... aber ich war ja gar nicht so klein... vierzehn oder fünfzehn... Wie lang' ist das jetzt her? – Neun Jahr'... freilich – mit achtzehn war ich Stellvertreter, mit zwanzig Leutnant... und im nächsten Jahr werd' ich... Was werd' ich im nächsten Jahr? Was heißt das überhaupt: nächstes Jahr? Was heißt das: in der nächsten Woche? Was heißt das: übermorgen?... Wie? Zähneklappern? Oho! – Na, lassen wir's nur ein biss'l klappern... Herr Leutnant, Sie sind jetzt allein, brauchen niemandem einen Pflanz vorzumachen... es ist bitter, es ist bitter...

Ich will mich auf die Bank setzen... Ah! – Wie weit bin ich denn da? – So eine Dunkelheit! Das da hinter mir, das muß das zweite Kaffeehaus sein.. bin ich im vorigen Sommer auch einmal gewesen, wie unsere Kapelle konzertiert hat... mit'm Kopetzky und mit'm Rüttner – noch ein paar waren dabei.. – Ich bin aber müd'... nein, ich bin müd', als wenn ich einen Marsch von zehn Stunden gemacht hätt'... Ja, das wär' sowas, da einschlafen. – Ha! Ein obdachloser Leutnant.. Ja, ich sollt' doch eigentlich nach Haus... was tu' ich denn zu Haus? Aber was tu' ich denn im Prater? – Ah, mir wär' am liebsten, ich müßt' gar nicht aufsteh'n – da einschlafen und nimmer aufwachen... Ja, das wär' halt bequem! – Nein, so bequem wird's Ihnen nicht gemacht, Herr Leutnant.. Aber wie und wann? – Jetzt könnt' ich mir doch endlich einmal die Geschichte ordentlich überlegen... überlegt muß ja all es werden... so ist es schon einmal im Leben... Also überlegen wir... Was denn?... – Nein, ist die Luft gut... man sollt' öfters bei der Nacht in' Prater geh'n... Ja, das hätt' mir eben früher einfallen müssen, jetzt ist's aus mit'm Prater, mit der Luft und mit'm Spazierengeh'n... Ja, also was ist denn? – Ah, fort mit dem Kappl; mir scheint, das drückt mir aufs Gehirn... ich kann ja gar nicht ordentlich denken... Ah... so!

pp 50-55 from Leutnant Gustl by Arthur - Schnitzler

Near fragment in space

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Am Ende der Allee, dort, wo sie in ein Rondeau mündete, blieben die beiden Frauen stehen. Vor ihnen, umgeben von Bänken, lag ein kleines rundes Wasserbecken, aus dessen Mitte eine steinerne fischgeschwänzte Frau sich hob. Sie ruhte auf einem Delphin; und ihren reifen, überquellenden Leib leicht nach vorne neigend, den Kopf zurückgebeugt, schien sie mit erhobener Hand ihre Augen zu beschatten - vor einer Sonne, die nicht am Himmel stand.
Die beiden Frauen traten an den Rand des Beckens. Die eine neigte sich und sah hinab. "Das Wasser ist leer, Mutter", sagte sie. Scharf umrissen zeichnete sich ihre schmächtige dunkle Gestalt auf dem grauen Hintergrund der steinernen Gruppe. Vor der lebenerfüllten reichentfalteten Nacktheit der Frau auf dem Delphin, schienen die überschlanken Glieder des jungen Mädchens, wie aus Scham über ihre eigene Dürftigkeit, ängstlich sich in den schwarzen Stoff zu hüllen.
pp 96 from Der Tod Georgs by Richard Beer-Hofmann