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Die Stadt ohne Juden - pp 68-69

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Nach weiteren fünf Minuten hielt der Portier einen Zehntausendkronenschein als Angabe in der Hand, und Herr Dufresne war Besitzer der Wohnung. Als er jetzt mit beschleunigten Schritten gegen Grinzing ging, wirbelte er vergnügt sein Spazierstöckchen in der Luft und murmelte vor sich hin: »Der Anfang ist gut, besser hätte ich es mit der Wohnung gar nicht treffen können.« Je näher er aber Grinzing kam, desto erregter wurde er, seine Wangen färbten sich rot und seine braunen lustigen Augen leuchteten wie im Fieber. Nun hatte er die Kobenzlgasse erreicht und seine Schritte wurden langsam, fast schleppend, wie die eines Mannes, der einem schicksalsschweren Augenblick entgegengeht. Vor dem Hause des Hofrates Spineder blieb er tiefatmend stehen und zog sich den grauen Kalabreserhut in die Stirne, daß man nur mehr seinen Knebelbart und das Kinn sah. Unschlüssig ging er auf und ab, mitunter nervös auf die Armbanduhr sehend, die auf halb zwölf wies. Gerade als er wieder vor dem grünen Tor stand, ging dieses auf und ein Dienstmädchen verließ das Haus. Und eben in diesem Augenblick, als das Tor offen stand, sah Herr Dufresne, wie von der links im Hofe gelegenen Wohnungstür ein junges, weißgekleidetes Mädchen mit goldblonden Haaren, die kein Hut verdeckte, in der Hand ein Buch, den Hof nach rückwärts durchschritt und den Garten aufwärts ging.
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  Cobenzlgasse

Near fragment in time

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Aber mitten in der City stehen noch die alten Basteien und auf ihnen gelbe Kastenhäuser mit glatten Fassaden, kleinen Fenstern zwischen breiten Grundpfeilern, die große Räume ahnen lassen; da die Plafonds nieder sind, reicht das Fenster um den Raum zu hellen; von der Front ist Mörtel geschält, der Stein graut hervor, Blumenbehälter streuen Buntheit. Aber nicht überall ist Helle. Verlieren wir uns hinter die schräg angemauerten Basteien, die Albrechtsrampe, die Mölkerbastei, die (Dominikaner) Stubenbastei, die da noch von Altem zeugen, so wachsen winklig ineinander verschnittene Häuschen üppig überpackt empor. Schwibbogen turnen über die Gassen, busige Balkons laden weit aus, düster springen adlige Steinembleme aus verkniffenen Palastfronten aschigen Aussehens. Die Häuschen klettern beinahe flächig übereinander aufwärts, wie eine Verschnitzung der größeren Paläste, an die sie sich drücken. Eine Bronzeplakette an der ältesten Brücke beim Roten- Turm- Tor, die dort über den Seitenarm der großen Donau führte, der jetzt als mit dem Zirkel gezogener Kanal ausgesteint ist, zeigt im kräftig gewölbten Relief die Ansicht der alten Stadt, die sich dort vordem ein wenig bergan stufte, den Hügel hinauf, auf dessen Plateau der Stefansdom ragte und noch ragt: unter den größeren neuen Häusern verliert sich dieses Gefühl für ds Bergige, aber Wien ist hügelig. So spürt man stellenweise noch die alten Häuser an seinen Buckeln hinabrinnen. Kastanienbäume fallen über körnige Mauern vor, aus Pfarreien, meierartig im Geviert um einseitig offene Häfe gestellt, erhebt sich eine kühle seelische Wolke aus Vergangenheit, die doch so gegenwärtig und unabänderlich empfunden wird. Sieht man aber durch die dunklen, schwergetorten Einfahrten der Paläste, die auf nur doppelmannsbreite Gäßchenklemme einander andräunen, so badet der Blick in einer überraschenden Freiheit; weite reine Arkadenhöfe mit großen Brunnenteller, inmitten von Nischen, in denen Heilige träumen, blank gescharrter Boden oder Fliesen mit dünner Geometrie spenden Licht und edlen Raum zurück, man könnte sich in Italien fühlen, so streng und doch so leicht baut sich das alte Gebäu um die noble Lichtung herum. Freitreppen tänzeln gefällig zum Stockwerk, ein hoher reifer First lächelt voll Herrentums über das gegibelte Gewirr des anrainenden Gedächers.
pp 114-115 from Wien by Robert Müller

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Also wurde beschlossen, die Wohnung zu nehmen, und sie sagten dem Baumeister zu. Bei der Miete ließ der man mit sich reden, verbilligte sie sogar noch unverhofft, denn Floridsdorf, ein Arbeiterbezirk und jetzt von den Russen besetzt, war alles andere als eine gute Wohngegend, wie Döbling es gewesen war. Steff staunte, dass Anna sich überhaupt herabließ, nach Floridsdorf zu ziehen, meinte er doch von früher her ihren Hang zu Eleganz und Vornehmheit und ihre tiefe Abneigung gegen alles Proletarische zu kennen.
pp 277 from Im Schatten der Zeit by Erika Pluhar