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Veruntreute Geschichte. Die Wiener Salons und Literatencafés - pp 30-31

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Man vergißt allerdings, daß die starren Fronten, hinter denen sich das "rote" und das "schwarze" Wien gegeneinander verschanzten, pompöse Stellen hatten, daß es jenseits der militanten Auseinandersetzungen zwischen Bürgertum und Arbeiterschaft und den organisatorischen Abschirmungen ihrer Machtbereiche neutrale Zonen gab, in denen die persönliche Kommunikation und der Gesprächskontakt fortbestanden. Es gab sie unter Intellektuellen, Literaten, Künstlern, Journalisten, sie wirkten in Veranstaltungen fort, wo der Geist der Liberalität hochgehalten wurde. Die Rolle, die die von Haß und Feindschaft unberührt gebliebene Institution des Kaffeehauses dabei spielte, war beachtlich. Das "Herrenhof", das "Rebhuhn", das "Café Museum" waren solche Orte der loyalen Begegnung, Sammelpunkte von Intellektuellen aus verschiedensten Berufen, die einander kannten, voneinander wußten. Es war, wollte man es soziologisch definieren, ein Milieu der fließenden Übergänge, der existentiellen Mischformen und relativierenden Individualitäten, demnach ein besonders geeignetes Forum für das freie Gespräch, die impulsive Auseinandersetzung, die systematische Pflege von Querverbindungen zwischen politisch divergierenden Gruppen und Clans.
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In hastig hingefetzten, sich selber davonlaufenden, mit äußerster Willensanstrengung aufs Papier geschleuderten Sätzen gestand sich Heinrich im Tagebuch ein, was er inzwischen bei sich ausgeforscht hatte; Entdeckungen, die er vor sich nicht mehr geheimhalten konnte : daß er sexuell keineswegs so appetitlos sei, wie er bisher von sich angenommen habe; daß es, in Ermangelung anderer Geliebter, mit der Zuneigung zu sich selbst bei ihm immer ärger würde; daß ihn, im Türkenschanzpark, an genau definierter Stelle immer ein Drang erfasse, wo er, immer haargenau am gleichen Ort, beim Abort, dem Häuschen neben dem Eingangstor, immer ganz dringend aufs Klo eilen müsse; um dort, an der Pißwand, die peniblen Kunstwerke zu bewundern und, mit steigender Spannung, die Kleinstanzeigen zu lesen; daß er sich auf der Straße nicht nur nach Mädchen, nein pfuiteufelnochmal, noch öfter nach Jungen umzudrehn angewöhnt habe; nach schönen Jungen, natürlich; daß er den Jungen, den er in Griechenland kennengelernt habe, aufrichtig liebe; ja, daß bei ihm offensichtlich ein Hebel verkehrt eingesetzt, ein Ventil falsch montiert, eine Leitung vom Chef falsch angeschlossen worden sei, da sich bei ihm, oft genug schon vom bloßen Hinschaun, die Hose vorn spanne.
pp 97 from Der lange Gang by Uwe Bolius

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Sie fuhr mit dem Auto. Sie wollte keine anderen Leute neben sich. Eingeschlossen in ihr Auto, schlich sie mit der Kolonne über die Brücke bei der Urania. Über den Ring. Die Operngasse. Und die linke Wienzeile hinaus. Schon auf der Brücke verfiel Helene in tiefe Abwesenheit.
pp 80 from Verführungen by Marlene Streeruwitz