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Veruntreute Geschichte. Die Wiener Salons und Literatencafés - pp 150-151

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Es war ein seltsam gemischtes Völklein, das sich hier zusammengefunden hatte. Viele stammten aus gutbürgerlichen Familien, die durch Krieg und Inflation verarmt waren, es gab auch solche, die bloß emanzipiert leben wollten oder wirklichkeitsfremde politische Programme ausheckten. Die meisten hielten sich tagsüber im "Herrehof" auf, wo sie Anschluß an Gleichgesinnte oder zumindest ähnlich Denkende suchten. So lernten die beiden "Gong"-Erfinder einander kennen. Die Existenz des "Gong" begann mit einem Faschingsfest. Ein begütertes Ehepaar, Robert und Anna Lang, Besitzer einer Metallwarenfabrik, wollten ihrem privaten Karneval eine besondere Note geben und die Gäste mit einem Puppenspiel überraschen. Raphael Pollack und E.K.Maenner erhielten den Auftrag. Sie animierten Freunde zu unbezahlter Mitarbeit, richteten im Tiefparterre des Café Herrenhof eine Werkstätte ein, bastelten Bühne, Puppen und Apparaturen und brachten die höchst erfolgreich improvisierte Premiere einer Kasperliade des Grafen Pocci zustande. Der Erfolg war so groß, daß sich die Amateure bald darauf in zünftige Puppenspieler verwandelten. Die Gäste applaudierten begeistert, die Kritik war äußerst wohlwollend.
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  Café Herrenhof

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Wie ich die Joana kennen gelernt habe, war sie schon viele Jahre mit dem Fritz verheiratet gewesen und, wie ich damals immer glaubte, auf die glücklichste Weise, jedenfalls hatte ich immer den Eindruck gehabt bei meinen Besuchen auf dem Sebastiansplatz. Tatsächlich hatte ich auch de Sebastiansplatz zeitweise als mein Zuhause empfunden, das große Atelier, in welchem ich mehr oder weniger immer tun und lassen hatte können, was ich wollte; der Fritz und seine Frau Joana, die geborene Elfriede, waren in Wien ein Künstlermittelpunkt gewesen, in welchem für mich die sogenannte dramatische und die sogenannte bildende Kunst eine ideale Ehe eingegangen waren, überhaupt also die Kunst oder wenigstens, was ich damals als eine solche betrachtete, ein Zentrum hatte.
In dem Atelier auf dem Sebastiansplatz hatte ich Mitte der Fünfzigerjahre mehr oder weniger alle bedeutenden, wenn damals noch nicht unbedingt berühmten so dich schon bekannten Wiener Künstler und Wissenschaftler und Pseudokünstler und Pseudowissenschaftler kennen gelernt und mich mit der Zeit, sozusagen als mit und an ihnen werdender Schriftsteller, selbst als ein solcher Künstler empfunden.
pp 127-128 from Holzfällen by Thomas Bernhard

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Obwohl es erst kurz nach elf Uhr war, machte sich Bronstein auf den Weg ins "Herrenhof". Er nahm dort seinen Stammtisch Platz und studierte in aller Ruhe die Speisekarte. Es entging ihm dabei nicht, dass sich der Kellner ein leichtes Schmunzeln nicht verkneifen konnte. Jeder im "Herrenhof" kannte mittlerweile Bronsteins Rutal. Stets ging er die Speisekarte aufmerksam durch, um dann doch das jeweilige Tagesmenü zu bestellen. Diesmal kredenzte man ihm Fleischknödel mit Sauerkraut, die er mit großem Genuss verspeiste.
pp 102 from Tacheles by Andreas Pittler