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Das Vaterspiel - pp 231-232

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Bis ich dann in Ruhe gefrühstückt und die erste Ziga-rette geraucht hatte, war es gegen zwei Uhr nachmittags, und ich musste zum Konzert aufbrechen, weil ich mit dem Auto meiner Mutter fahren und möglichst in der Nähe der Arena einen Parkplatz finden wollte. Als ich dort eintraf, gut vierzig Minuten zu früh, war der Soundcheck noch im Gange, aber Klara war nirgendwo zu sehen. Gerhard ga auf der Bühne die Kommandos. Ständig rief er dem Mann am Mischpult etwas zu und ließ zwischendurch die Gitar-re aufkreischen. Er hatte nun eine säuberlich rasierte Gla-tze, die in der Sonne glänzte, als hätte er sie mit Fett einge-schmiert. Ich winkte ihm zu, aber er schien mich nicht zu erkennen und schaute wieder weg. Als er mit dem Sound-check fertig war, hatte sich vor der Bühne eine Gruppe von gut hundert Fans versammelt. Weiter hinten war eine Zu-schauertribüne mit Sitzbänken aufgestellt. Dorthin ging ich und suchte mir einen Platz, nicht zu nahe am Laut-sprecher, nicht zu weit von der Bühne, nicht zu sehr von der Sonne geblendet und nicht zu weit unten, um über die vor der Bühne stehenden Menschen sehen zu können. Jeder Platz, so fand ich schnell heraus, hatte Nachteile. Und man sieht von jedem Platz aus sofort die Vorteile der anderen Plätze, aber deren Nachteile sieht man erst, wenn man dorthin gegangen ist und sich niedergesetzt hat. Ich pro-bierte ein paar Plätze aus, konnte mich aber nicht entscheiden, ging schließlich an den Tribünenrand, in die Nähe des Auf-gangs, wo ich dann auch bleiben musste, weil es mittler-weile nichts mehr auszusuchen gab. Klara und Bibi waren noch immer nicht da. Ich zog, meinen Pullover aus, formte ihn zu einer länglichen Wulst und legte ihn neben mich auf die Bank.
  Das Vaterspiel
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  Arena

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Diese vielen ekelhaften Menschen, Menschen, nun, diese vielen ekelhaften Erscheinungen im damit vollgestopften Autobus 74 A, die Landstraßer Hauptstraße hinauf oder hinunter, welche Qual, ihnen mehrmals täglich ausgesetzt zu sein, ihnen und ihren mitgeführten, mit sich getragenen Schicksalen, Lebensgestaltungen, Alltagsbewältigungen, Kinderwagen, Krücken; Inländer, Ausländer, Wiener, Asiaten, gleichviel, nein, gleichviel nicht, die Wiener, die 'Hiesigen', sind allemal scheußlicher, Paare vor allem, alte und ältere, verstunkene Wiener Ehepaare, wie sie hereinzittern 'in den Autobus', wie sie hinauszittern 'aus dem Autobus', dem Autobus 74 A, fürsorglich um einander bemüht und eben deshalb einander abrundtief gram, wie ich sie hasse!
pp 51 from Kalte Herberge by Werner Kofler

Near fragment in space

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Ann-Marie lehnte sich zurück, schloß die Augen und träumte vom dritten Wiener Gemeindebezirk.
Nach Vaters Pensionierung waren ihre Eltern aufs Land gezogen, doch aufgewachsen war sie in einem Eckhaus in der Erdbergstraße. Das Service mit dem Zwiebelmuster, das nur an Sonn- und Feiertagen verwendet wurde, hatte, jedesmal wenn die Straßenbahn vorbeifuhr, gefährlich zu klappern begonnen. Und abends, wenn der Vater von der Arbeit heimgekommen war - er war am Landstraßer Bahnhof beschäftigt gewesen -, hatte er den Fernsehapparat eingeschaltet und war bis Mitternacht oder zumindest bis zur Bundeshymne vor dem flimmernden Bildschirm gesessen. Da er schwerhörig war, lief der Kasten immer in voller Lautstärke. An Lärm hatte es in ihrer Kindheit nie gemangelt.
Ob das dreistöckige Zinshaus, in dem sie gewohnt hatten, noch stand? Es wurde viel gebaut in Wien, wahrscheinlich hatte sich in Erdberg alles verändert. Vielleicht hatte auch der kleine Beserlpark, in dem sie ihre ersten Raufereien und ihr ersten Küsse glücklich überstanden hatte, dem U-Bahnbau weichen müssen.
pp 9-10 from Zwischen zwei Nächten by Edith Kneifl