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Bis zur Neige - Ein Fall für Berlin und Wien - pp 97

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Harald war Zahnarzt im Viertel und wohnte ein paar Straßen weiter, in der Martinstraße. Anna war seit vielen Jahren mit ihm befreundet, und seit sie nach einem Einbruch in ihrer Wohnung eine Nacht bei ihm verbracht hatte, hatte sich ihr Verhältnis ein wenig verändert. Harald wollte die kleine Affäre gerne verfestigen, und Anna ließ sich auch hin und wieder dazu überreden, bei ihm zu übernachten, aber irgendwie war er doch zu sehr guter Freund für eine ernsthafte Beziehung. Sie bemühten sich beide um ein freundschaftliches Verhältnis, und doch war oft eine gewisse Anspannung zu spüren.
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  Martinstraße

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Leo Zelman beschrieb das Verhalten der österreichischen Bevölkerung gegenüber ihm als Juden pragmatisch anhand zweier Sequenzen: einer Begegnung mit dem Onkel einer Bekannten, in deren Haus er zum Essen eingeladen war.
„ […] hab ich kennen gelernt eine richtige = [lacht] Lotte, hat sie geheißen. Mädchen, dass ich mich dran erinnere. Und ihre Mutter ist zu mal gekommen und hat gesagt, Ich hab von Ihnen gehört, kommen Sie doch mal zu Weihnachten. Nach Hause zu uns in die Herrengasse. Und ich hab schon damals gewohnt am Schotten=, nicht am Schottenring, sondern am Rudolfsplatz Und ich bin dort hingekommen, natürlich auch ein Care-Paket mitgenommen, und dort konnte= der hat nicht mehr gelebt, er ist gefallen, und der Onkel ist gekommen. Und der Onkel hat schon getrunken war eines= das hat mich damals so angeekelt, seit damals trink ich keinen Wein. Und dreht sich um „Von wo bist du?“, sag ich „Ich bin von Lodz“. Wahrscheinlich hat er geglaubt, dass ich ein Volksdeutscher bin, ich hab schon ein bisschen deutsch gesprochen. Sagt er [laut am Anfang], „Na, in Lodz haben‘s wir den Juden dort gezeigt!“[laut Ende] Ich bin so blass geworden, so erschocken worden, es war ein kalter Winder, von der Herrengasse bis am Rudolfsplatz gelaufen ohne Mantel, ist mir nachgelaufen, äh, die - Lotte ist mir nachgelaufen mit dem Mantel ich bin, äh, ohne Mantel weggerannt aber ganz 0 äh […?] ich war ganz nervenschwach, hab nicht schlafen können.
pp 122 from Rückkehr in die Außenwelt: Öffentliche Anerkennung und Selbstbilder von KZ-Überlebenden in Österreich by Melanie Dejnega

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Das Handy riss sie aus ihren Gedanken. »Friedelhofer. Grüß Gott. Sind Sie noch im Büro?« Anna war mehr als überrascht. »Hallo. Nein, ich bin nicht mehr im Dienst. Was verschafft mir die Ehre? Haben Sie noch was Neues zum Fall Bachmüller?« »Nein, nein. Der ist ja längst nicht mehr mein Fall. Wobei… nachdenken tu ich schon noch über den. So ein schöner Mord. Fast perfekt.« »Tja, aber eben nur fast. Jetzt müss’ma nur noch rausfinden, wer diesen fast perfekten Mord begangen hat.« »Und nachdem Sie das heute wohl nicht mehr tun werden, hab ich mir gedacht, wir könnten zusammen was essen gehen? Oder haben Sie schon was vor?« »Nein, nicht direkt. Ich wollte früh ins Bett, aber gegessen hab ich noch nichts.« Anna versuchte sich ihre Überraschung nicht anmerken zu lassen. »Und was schlagen Sie vor?« »Bei den Temperaturen könnten wir ans Wasser gehen. Was halten Sie von der Alten Donau?« »Ja, wenn wir da einen Platz bekommen.« »Ich glaub schon. Sind ja eh alle weg jetzt in den Sommerferien. Soll ich Sie abholen?« »Ich kann auch mit der U-Bahn fahren.« »Das können Sie aber auch lassen. Wo wohnen Sie denn?« »Im 18., beim Kutschkermarkt.« »Gut, können Sie da an der Straßenbahnhaltestelle warten? Ich bin in zwanzig Minuten da. Gelbes Auto.« Mein Gott. War das etwa ein Rendezvous? Mit einem Pathologen? In zwanzig Minuten? Keine Zeit mehr zum Haarewaschen oder lange Überlegen, was sie anziehen sollte. Anna sprang trotzdem schnell unter die Dusche und holte ein frisches T-Shirt und einen Sommerrock aus dem Schrank. Sie hatte bis jetzt nicht einmal darüber nachgedacht, ob sie diesen Friedelhofer attraktiv fand. Na, einmal essen gehen ist ja noch nicht verlobt. Obwohl ab einem gewissen Alter Verabredungen dieser Art eher selten wurden.
pp 184-186 from Bis zur Neige - Ein Fall für Berlin und Wien by Petra Hartlieb, Claus-Ulrich Bielefeld