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Die große Hitze, oder die Errettung Österreichs durch den Legationsrat Dr. Tuzzi - pp 85-86

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Anders als am Morgen freilich, da der Anblick baukünstlerischer Höhepunkte seine Stimmung wenigstens vorrübergehend gebessert hatte, drückte ein architektonischer Nullpunkt sie jetzt erst recht nieder – jene Baulücke gegenüber der östlichen Ecke des Bundeskanzleramtes nämlich, die der Legationsrat umgehen mußte, um in die Schauflergasse zu gelangen. Über diesem leeren Grunstück scheint nämlich ein geschichtlicher Fluch zu liegen, der verhindert, daß es jemals gefüllt werde. Schon die Monarchie hat dort einen Verwaltungsbau errichten wollen, war aber nicht mehr dazu gekommen; ein ähmlicher Plan war in der Ersten Republik gescheitert, weil die Regierungen zu rasch wechselten; nach 1934, als Österreich sich eine autochthone und somit etwas bizarre Diktatur anschaffte, legte man immerhin den Grundstein zu einem „Haus der Väterländischen Front“, kam aber über diesen Grunstein nicht hinaus; Vielmehr wurde dieser durch einen anderen ersetzt, über dem etliche Gauleiter ein „Braunes Haus“ errichten wollten, was ihnen jedoch aus bekannten Gründen nicht gelang. Und seither hat noch jede Regierung der Zweiten Republik ebenfalls erfolglose Versuche unternommen, die Baulücke zu füllen. Auf welchen Augenblick wartet die Geschichte wohl, ehe sie es erlaubt, diesen häßlich leeren Platz mitten im imposantesten Teil der Stadt mit einem ebenso repräsentativen wie zweckmäßigen Gebäude zu versehen?
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Near fragment in time

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Modena-Park-Gegend oder „Viertel“ (in Wien III.), heute alles versaut. Man baut. Man macht Garagen. Immer ist wieder was nötig, bis alles total verdreckt ist. Das kommt von den Tätigen her. Und wenn nicht Jeder tätig wär', verfaulte und versumpfte alles. Die Tätigkeit ist unser aller heilloses Heil, das einzig mögliche. Dabei großenteils glatter Unsinn. Die Tätigkeit kann man nur beherrschen, wenn sie kein Mittel der Flucht vor der Apperception ist. Wird sie aber ein solches Mittel, so wird sie zum dahinrasenden Vehikel, und wir werden zuletzt unfähig sein, es zu steuern und diesem ganzen Unfug überhaupt zu steuern.
pp 241 from Repertorium: ein Begreifbuch von höheren und niederen Lebens-Sachen by Heimito von Doderer

Near fragment in space

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Im Burghof hielt der gute Kaiser Franz seine schützende Hand über untreu gewordene Völker und verrichtete Herkules in vierfacher Ausführung ebenso viele Taten; aber das graue Licht, das den Bauten des Heldenplatzes so malerische Valeurs verlieh, bewirkte hier, im engeren Raum, das Gegenteil: Fade und hässlich wie Staub lag es über der schattenlosen Fassade der Reichskanzlei. Der Wachmann vor der Adlerstiege wischte das Schweißband seiner Kappe trocken. Tuzzi blickte zur Uhr im Türmchen des Amalientraktes auf: Erst Viertel nach acht. Viertel neun an einem Aptilmorgen, und so heiß! Wenn dieses Wetter anhielt, kam es schon im Mai, spätestens im Juni, zu einer Katastrophe mit Endgültigkeitscharakter.
Er überquerte den Ballhausplatz und erinnerte sich, daß gestern im Bundeskanzleramt der Ministerrat getagt hatte und die Überarbeitung des Kabinettsitzungsprotokolls sein Arbeitspensum beträchtlich vergrößern würde. Also beschleunigte er seine Schritte, nicht allzu heftig natürlich, sondern nur so, daß er einen kleinen Schweißausbruch eben noch vermied; solche Vorsicht war in diesen kreislaufgestörten Zeiten allgemeine Verhaltensweise geworden, auch vielfach ärztlich empfohlen. Doch nahm er sich auch heute die Zeit, ein paar Schritte von der schweigsamen Front des Haus-, Hof- und Staatsarchivs abzuweichen und einen kleinen Umweg durch die Spitzbogengallerie der Minoritenkirche zu machen. Dort nämlich, an der Südmauer dieser seit vielen Jahrhunderten von der italienischen Kolonie Wiens bevorzugten Kirche, sind Grabsteine aus einem aufgelassenen Friedhof angebracht, deren verwitterte Inschriften Tuzzi seit je in eigener Weise berührten:
THOMAE PVCCIO NOBILI FIORENTINO, der, als die Christen die Burg Gran angriffen, nach heftigem Kampf mit den Feinden die Seele Gott zurückgab, 40 Jahre alt im Jahre 1595 seit der Geburt des Herrn … MARCO ANTONIO RECASOLO, der sehr vornehme Florentiner, der aus einzigartiger Frömmigkeit für die Sache der Christenheit in das Kaiserliche Lager und wider die Türken zog … 21 Jahre, 10 Monate alt, starb er in Komorn am 1. November 1597 … AENEAE PICCOLOMINI, Herr von Sticciano in der Toskana, wurde im böhmischen Kriege im Lager des Kaisers getroffen im 33. Jahre seines Lebens am 16. August im Jahre des Heils 1619 … Seiner Gattin SUSANNA APOSSA ließ trauernd Johannus Paulus Fossatus aus Mailand dieses Grabmal errichten im Jahre 1589 …
pp 17-18 from Die große Hitze, oder die Errettung Österreichs durch den Legationsrat Dr. Tuzzi by Jörg Mauthe