Arrows_down
Arrows_up
« Back to Eine schöne Schweinerei

Eine schöne Schweinerei - pp 33

Quote
Dann nahm er ehrfürchtig das Stück Thermopapier mit dem Aufdruck "Maria Vlk, geborene Jonas am 13. Juli 1966, wohnhaft in 1190 Wien, Zahnradbahnstraße 24" und ging zum Streifenwagen zurück, um mit ihm zur Gattin von Franz Vlk zu fahren, Vorsitzender der Wiener Heimatpartei, um ihr um halb fünf Uhr in der Früh mitzuteilen; nachdem er sie mit allerhöchster Wahrscheinlichkeit aus dem morgendlichen Tiefschlaf geholt haben würde, dass man ihren Mann tot aufgefunden habe, in einer zweifelhaften Gegend, nähere Umstände wisse man leider nicht, mit dem aufrichtigen Ausdruck des Bedauerns sowie der Versicherung, es werde alles Notwendige sioenen gesetzmäßig vorgeschriebenen Lauf nehmen, oder so ähnlich.
  33
  33
  No
  Yes
  No
  No
  (none)

Near fragment in time

Quote
Und sie haben dich nichts gefragt?
Nichts, gar nichts. Wahrscheinlich war ich ihnen zu klein. Wenn ich dreizehn, vierzehn Jahre gewesen wäre, hätte sich mich wahrscheinlich schon etwas gefragt.
Die Gestapo-Männder waren Wiener. Auch viele Deutsche waren da, aber das waren Wiener. Wie halt eine Hausdurchsuchung vor sich geht, haben sie alle Sachen herausgeschmissen, aber sie waren nicht auffallend brutal. Sie haben ihn einfach genommen und sind gegangen
Sie haben also auch nicht zugeschlagen?
Nein. Das ist dann erst am Morzinplatz gekommen. Nach der Verhaftung haben wir ja nicht gewusst wo er ist. Kein Lebenszeichen, nichts. Meine Mutter ist immer wieder auf die Gestapo am Morzinplatz gegangen: keine Auskunft. Als sie wieder einmal bei der Gestapo war, wurde ein Häftling aus einem Verhörzimmer geschleift – ohnmächtig und blutverströmt. Ob es ein Bekannter war, hat sie nicht gewusst, so entstellt war er.
pp 42-43 from Der Kopf meines Vaters: Wien von der NS-Zeit bis zur Gegenwart - Eine Zeitzeugin erzählt by Luis Stabbauer

Near fragment in space

Quote
Im dunkelnden Licht stehe ich auf dem Pfarrplatz. Hier liegt meine Seele begraben. Wann immer ich in den zehn Jahren meiner Abwesenheit Heimweh hatte, war es nach diesem Ort. Wann immer ich gewisse Stellen von Beethoven oder Schubert hörte, erschien er vor meinem Blick. Ein kleiner Dorfplatz: links steht ein Bauernhaus, in dem die „Eroica“ geschrieben wurde; ein anderes zur Rechten; und in der Mitte die kleine Kirche zu St. Jakob. Vor ihr, zwischen vier Bäumen, ein regenverwaschener heiliger Nepomuk, der das Kruzifix und sein Birett in barocker Verzückung umklammert hält. Die Bäume sind kahl. Zu Füßen des Heiligen liegt ein Strau7ß von trockenen Winterbeeren. Im hölzernen Kirchtor hängen die Gemeindenachrichten wie zu meiner Zeit, aber ich bin von ihnen nicht betroffen. Wo meine Wurzeln tief in die Erde reichen wie nirgends sonst, bin ich eine völlige fremde, so entrückt in Zeit und Raum wie ein geisterhafter Revenant.
pp 53 from Rückkehr nach Wien by Hilde Spiel