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Wien - pp 104-105

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Deß zum Zeichen erhebt sich noch heute aus Zeiten vor einer anständigen Jahreszählung und Stadtchronik der sogenannte "Stock im Eisen". Das war einmal ein wichtiger alter Baum, eine Esche, eine Eicher oder so etwas, der stand mitten in der Stadt mit ihren Ringmauern, einen guten Steinwurf weit von dem Platz, auf dem sich heute der "Steffel" (Stephansdom) erhebt. Wirklich, dieser Struk steht heute noch da, mit Eisenbändern an den Marmorblock geschmiedet, der zum Fundament eines modernen Riesengebäudes gehört. Fremde kommen ihn sehen. Er ist von Eisentragen verbessert, wo er aus Alter und Schwere einknicken will. Aus Schwere: denn er ist über und über mit Eisennägeln beschlagen, dicht aneinander, wie von einem Klitterpanzer, und von dieser Haut ist er, neben dem Alter wie durch einen Anähnlichungsprozesß durch- und durchgeeisent. Er steht also auf einem Sockel in einer Nische. In dem Gebäude haust eine große Bank - in jeder Ecke haust heute natürlich eine Bank, früher waren es Cafes, hier entstanden die Banken an kleinen Tischchen bei langen Geschäftsgesprächen - und ein Reisebüro. Nämlich, der Baum im Eisen bekam soviel Nägel, weil jeder Handwerksbursch verhalten war, dort einen hineinzutreiben, wenn er Wien passierte; es war das ein religiöses Gleichnis und irgend ein heiliger Fluch wurde dabei gemurmelt. Aus der Schwere des Baumes im Eisen mag man nun erwägen, wie Viele ihrer da vorbeigekommen sein mögen.
  Wien
  104
  105
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Near fragment in time

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Ich erinnerte mich mit ein wenig Neugier des Praters, wo jetzt zu Frühlingsende, zu Sommersanfang, die schweren Bäume wie riesige grüne Lakaien rechts und links der von Wagen durchflitzten Hauptallee stehen und reglos den vielen geputzten eleganten Menschen ihre weißen Blütenherzen hinhalten. Gewohnt, auch dem flüchtigsten meiner Wünsche sofort nachzugeben, rief ich den ersten Fiaker an, der mir in den Weg kam, und bedeutete ihm auf seine Frage den Prater als Ziel. »Zum Rennen, Herr Baron, nicht wahr?« antwortete er mit devoter Selbstverständlichkeit. Da erinnerte ich mich erst, daß heute ein sehr fashionabler Renntag war, eine Derbyvorschau, wo die ganze gute Wiener Gesellschaft sich Rendezvous gab.
pp 8 from Amok: Novellen einer Leidenschaft by Stefan Zweig