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Im Schatten der Zeit - pp 276

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Die Straßenbahn fuhr endlos. An einer großen Brücke überquerte sie die Donau. "Am Spitz", wie der Platz vor einem großen, alten Amtsgebäude hieß, musste man umsteigen. Und dann fuhren sie weiter stadtauswärts. Am "Schlingerhof" vorbei, einem Gemeindebau, der immer noch von Einschüssen gezeichnet war, gelangte man in nahezu ländliches Vorstadtgebiet hinaus. Die Brünnerstraße war neben den Geleisen der Tramway zum Teil noch nicht asphaltiert und wurde zwischen vereinzelten Häusern von unkrautverwuchertem Gelände und Akazienbäumen begleitet. Das Haus Nummer 63-65 war ein Vorkriegsgebäude, angebaut an ein noch älteres Wohnhaus, und diese Häusergruppe ragte hoch und einsam auf, zwischen den Eisenbahnschienen einer Lokomotivfabrik und einem Bahndamm.
Die zu besichtigende Wohnung aber führte in den Hof und in Schrebergärten hinaus, besaß eine kleine Veranda, von der ein Lindenbaum sein Geäst ausbreitete, war also der Hauptverkehrsstraße abgewandt und recht ruhig.
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Mein Nachbar lutscht an einer Lakritzstange. Soweit ich den Überblick behalten habe, ist es die dritte, seit die Boeing 737 die Startbahn in Wien Schwechat verlassen hat. Mir hat die Reisebegleiterin geraten, beim Steigen und Sinken des Fliegers Kaugummi zu kauen. Kurz vor Abflug, auf den Bildschirmen blinkte "boarding" neben unserer Destination, bin ich in den Supermarkt der untersten Ebene des Flughafens gelaufen.
pp 191 from Gegen einsam by Daniela Meisel

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Das Handy. Ich griff in die Tasche und drückte darauf herum, bis es endlich zu läuten aufhörte.
Herzstillstand heißt, das Herz hat aufgehört zu schlagen.
Aber hört das Herz nicht immer auf zu schlagen, wenn der Tod eintritt?
Ja.
Mit anderen Worten, Sie sagen: Der Tod war die Todesursache?
Wieder läutete das Handy.
Ja. Der Tod Ihres Vaters hatte keine andere Ursache. Keine sichtbare andere.
Das Handy.
Wollen Sie eine Obduktion beantragen?
Ich holte das Handy aus der Tasche, sah auf dem Display »Mutter«, drückte auf die Taste »Gespräch annehmen« und sagte zum Doktor: Eine Obduktion?
Obduktion?, hörte ich am Handy die Stimme von Mario, dem Mann meiner Mutter. Du weißt es schon? Von wem? Und warum eine Obduktion?
Zehn Minuten später war ich auf dem Weg ins Böhler-Unfallkrankenhaus.
Sie hat nicht gelitten, sagte ein junger Arzt.
Was heißt, sie hat nicht gelitten?
Es ging zu schnell. Als ihre Mutter vom Pferd abgeworfen wurde, hatte sie gerade noch Zeit, zu begreifen, dass sie abgeworfen wurde. Und schon prallte sie auf, die Halswirbelsäule brach, und sie war tot, schneller als sie knacks sagen können. Wir haben für Ihre Mutter, als sie gebracht wurde, nichts mehr tun können. Es war eindeutig, dass sie auf der Stelle tot gewesen sein musste.
pp 196-197 from Don Juan de la Mancha by Robert Menasse