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Die Kapuzinergruft - pp 143

"Der Frühling nahte, der Wiener Frühling, dem keines der weinerlichen Chansons jemals etwas anhaben konnte. Keine einzige von den populär gewordenen Melodien enthält die Innigkeit eines Amselrufs im Votivpark oder im Volksgarten. Kein gereimter Liedertext ist so kräftig wie der liebenswürdig grobe, heisere Schrei eines Ausrufers vor einer Praterbude im April. Wer kann das behutsame Gold des Goldregens besingen, das sich vergeblich zu bergen sucht zwischen dem jungen Grün der nachbarlichen Sträucher? Der holde Duft des Holunders nahte schon, ein festliches Versprechen. Im Wienerwald blauten die Veilchen. Die Menschen paarten sich. In unserm Stammkaffee machten wir Witze, spielten wir Schach und Dardel und Tarock. Wir verloren und gewannen wertloses Geld."
Near fragment in time

Und die Wohnung hab ich gesehn, auf mein Wort, irgendwo in Döbling, in der Nähe des Kuglerparks oder des Wertheimsteinparks, damit die Kinder immer frische Luft haben, ich war direkt drin in dieser anheimelnden Wohnung, die du dem Weib eingerichtet hast, und ich hab so manche Kleinigkeit wiedergefunden, die ich vermisse, und deine Kinder hab ich auch gesehn, richtig, es waren drei, so halbwüchsige Bankerte, widerliche, und sie sind um dich herumgesprungen und haben dich manchmal „Onkel“ genannt und manchmal ganz schamlos „Papa“ und du hast sie ihre Schulaufgaben abgehört und das Kleinste ist auf dir herumgeklettert, denn du warst ein glücklicher Papa, wie er im Buch steht.
pp 53 from Eine blaßblaue Frauenschrift by
Near fragment in space

Wie am Ende eines Falles spürte er eine unendliche Müdigkeit und eine bleierne Melancholie. Er schaute Anna an, um deren Mund sich zwei tiefe Falten gegraben hatten. Sie starrte missmutig und angeekelt auf den schmutzigen Zettel. »Furchtbar. Er ist der Schlimmste von allen.« »Aber ist doch nett von ihm, dass er uns so viel Ermittlungsarbeit erspart hat. Und ansonsten, wir sind doch in Wien: Das Hässliche verdrängen wir, sonst könnten wir sowieso nicht weitermachen. Ist doch unser Prinzip schon seit Jahrzehnten.« »Deins vielleicht.« »Deins auch.« »Ich weiß nicht. Gerade bin ich wieder mal an dem Punkt angekommen, wo ich aufhören will.« »Kannst du doch gar nicht.« »Ich geh aufs Land und werd Winzerin.« »Keine schlechte Idee. Da komm ich mit. Wir übernehmen einfach Bachmüllers Klitsche. Vielleicht schaffen wir’s ja, Arnie Schwarzenegger als Werbeträger zu gewinnen, der hat ja bald viel Zeit.« Sie lachten, und Bernhardt gab sich einen Ruck. »Aber bevor wir aufs Land fahren, ärgern wir noch einmal den netten Portier vom Hotel Regina.« »Ich bin sicher, der hat das letzte Zimmer gerade vergeben.«
pp 471-472 from Bis zur Neige - Ein Fall für Berlin und Wien by
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