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Kaffeehaus war überall. Briefwechsel mit Käuzen und Originalen - pp 58

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(Justinian Frisch in einem Brief an Friedrich Torberg) Ich selbst hatte in meinem langen Leben mindestens fünf Stammkaffeehäuser: Als Gymnasiast und Student frequentierte ich das altehrwürdige Café Rebhuhn in der Goldschmiedgasse. Während des ersten Weltkrieges hauste ich im Domcafé. Eine Zeitlang fand ich mich fast täglich im Café Korb, Tuchlauben, ein. (Die Kriegserklärung erlebte ich im Café Rebhuhn, das Ende des Krieges im Café Korb.) Nachher kam das Central und schließlich das Herrenhof. Sie sehen, ich bin das Paradigma des wandernden ruhelosen Stammgastes, denn ich war, wie jeder andere, beeinflußt von äußeren, familiären, geschäftlichen Umständen, ich war bestenfalls ein zweijähriger perennierender Wurzelstock.
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Das Café de l`Europe hatte einige merkwürdige Eigenschaften. Zunächst war es bummvoll, sommers und winters und zu welcher Tageszeit man es betrat. Denn es war kein Aufenthalts- sondern ein Durchgangscafé. Die Glastüre im Eingang drehte sich ununterbrochen, Tag und Nacht, und oft konnte man während einer Stunde denselben Hut, denselben Bart, dieselbe Diebsnase zehnmal in Rotation sehen. Man kam schauen und ging. [...] Zweitens: Von hier ging das Zitat aus "Ende nie". Das Café de l`Europe war ein großstädtisches Perpetuum mobile, ein Wunder der Rastlosigkeit und Unaufhörlichkeit und als solches auf Nachtfürchtige und Todesängstliche beruhigend wirkend. In der Früh saßen Übernächtige und Ebenaufgestandene an einem Tisch und sahen sich aus fernen Welten an; jene mit heuchlerisch-überschärftem, wegscheuem Verachtungsauge, diese feuchtwimprig, frischgewaschen, rosenbackig, voll überlegenem Neid - zwei Rassen: Tag- und Nachtmensch, Lüderjahn und Bürger, einander widersprechend wie Lackschuh auf tauigem Almgras.
pp 35 from Zeitgeist im Literatur-Café by Anton Kuh

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Sie trafen sich an jedem zweiten Dienstag im Monat um Punkt fünf Uhr nachmittags im Café Central - es sei denn, dieser Dienstag wäre auf einen christlichen oder jüdischen Feiertag gefallen: dann wurde das Treffen eben am darauffolgenden Donnerstag nachgeholt. Sie trafen sich, um Tarock zu spielen (wenn sie einen vierten Mann dafür fanden, denn sie spielten grundsätzlich nur zu viert) oder um gemeinsam über philosophische Fragen zu brüten. "Entweder tarockieren oder philosophieren", lautete ihr Wahlspruch, "am End' is' eh alles wurscht." Passten sie eigentlich ins Café Central, hätte man sie ohne Weiteres hier vermutet? Diese Frage dürfen wir getrost verneinen. Das Café Central liegt, wie wir aus berufenem Munde wissen, "unterm Wienerischen Breitengrad am Meridian der Einsamkeit"; genauer gesagt befindet es sich - und das schon seit Generationen - im Innenhof des Palais Ferstel und sieht für ein Wiener Etablissement verdächtig orientalisch aus: Kreuzbögen, hohe Säulen, viele Ornamente, viel Gold, überhaupt sehr bunt, rote runde Marmortische - der Kenner hätte das Café Central exakt 243 Straßenkilometer weiter östlich platziert, also eher im schönen Budapest als hier in der Reichshauptstadt.
pp 129 from Der Komet by Hannes Stein