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Die Arbeit der Nacht - pp 76-

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Nachdem er die Kirche durchsucht hatte und sicher sein konnte, keine Gesellschaft zu haben, widmete er seine Aufmerksamkeit dem Altar der Jungfrau Maria. In Not Geratene richteten ihre Fürbitten meist an sie. Hier steckten die meisten abgebrannten Kerzenstümpfe, hier hatte er früher Dutzende einander fremde Menschen Seite an Seite beten gesehen, Rosenkränze zwirbelnd, die Lippen auf Heiligenbilder pressend, weinend. Von diesem Anblick war ihm unwohl geworden. Er hatte sich kaum auszumalen gewagt, welche Schicksalsschläge die armen Leute hierhergeführt hatten. Vor allem die weinenden jungen Männer verstörten ihn. [...] Ihn quälte es, ihnen nahe zu sein, und dennoch mußte er sich zusammennehmen, nicht zu einem von ihnen hinzutreten und ihm über den gesenkten Kopf zu streichen. War einer ihrer Lieben krank? Hatte jemand sie verlassen? War jemand gestorben? Waren womöglich sie selbst todgeweiht? Hier saß das Leiden, und ringsum schlichen japanische und italienische Touristen und blitzen mit ihren Fotoapparaten, so hatte er es empfunden.
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  Stephansdom

Near fragment in time

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Sie waren noch keine zweihundert Meter gefahren, als Helmut Motzko sich vorbeugte und auf den CD-Player deutete. »Darf ich?« »Klar, zahlt sich aber kaum aus, wir fahren ja nur in die Florianigasse.« »Wie weit ist das denn?« »Im achten Bezirk. Keine zehn Minuten. Wie lange sind Sie denn schon in Wien?« »Knapp zwei Jahre. Viel hab ich noch nicht gesehen.« »Und woher kommen Sie?« »Südburgenland.« »Das hört man aber nicht.« »Ja, meine Eltern haben immer Wert darauf gelegt, schön zu sprechen. Die sind aber auch keine Burgenländer, die sind so Aussteiger, die irgendwann beschlossen haben, einen auf Biobauern zu machen.« »Und dann wird der Sohn Polizist?« »Ja, das fanden sie auch nicht so toll. Ihr Polizistenbild ist nicht unbedingt das vom Freund und Helfer.« »Aber Sie haben’s trotzdem gemacht. Find ich gut.« Helmut Motzko murmelte verlegen etwas aus dem Fenster und drückte auf Play. In Sankt Elisabeth/feiern die Kranken/und in Sankt Rochus/steht schon lang eine Uhr/in Sankt Marx dort droben/stirbt uns ein Bettler/drunten am Heumarkt/lacht eine Hur/die Polizisten/ordnen Verbrecher/und die Verbrecher/ordnen das Geld… »Dass mir das einmal gefällt, hätt ich nicht gedacht.« »Ich kann Ihnen die CD mal brennen.« »Das ist illegal.« »Verraten Sie mich einfach nicht.« In der Florianigasse fanden sie direkt vor der Haustür einen Parkplatz. Anna sah aus dem Fenster auf die gegenüberliegende Straßenseite. »Hier hab ich mal gewohnt.« Motzko fragte aus reiner Höflichkeit: »Wann?« »Ach, das ist schon lange her.« Anna blieb noch einen kurzen Moment sitzen und betrachtete die Fassade des grauen Hauses.
pp 217-218 from Bis zur Neige - Ein Fall für Berlin und Wien by Petra Hartlieb, Claus-Ulrich Bielefeld

Near fragment in space

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Ich fahre in die Stadt, das sagen nur Leute, die in der Stadt wohnen, noch tiefer in die Stadt, ins Zentrum, zum Stephansplatz. Ich finde keinen Parkplatz, bin aber spät dran, sehr spät, der nächste Termin, ich stelle das Auto auf den Gehsteig, ist doch wirklich egal, Geld habe ich ja. Ich laufe los, suche die Straße, wo ist der verdammte Plan, jede Ecke sieht für mich gleich aus, das ist so. Kurz zuvor: ich sitze im Auto, schaue in die Gegend, tippe auf den Stadtplan, überlege mir genau, wo ich hin muss, was ich da soll, wie lang es dauern wird, wo ich parke, wer ich bin. Dann fahre ich los, vergesse alles, habe nie existiert, komme an, viel zu spät, es ist mir egal, nerven, das tut es trotzdem.
pp 37-38 from stillborn by Michael Stavarič