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Verlass die Stadt - pp 12-13

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Wer Wien im Sommer kennt, kennt das Problem mit der U-Bahn. Wer in den letzten Jahren nie im Sommer in Wien war, muss wissen, dass es in den Wagen der Wiener U-Bahn dann etweder unfassbar heißt oder dank Klimatisierung so kalt ist, dass man sich sehr leicht verkühlt, vor allem, wenn man zuvor in einer stark aufgeheizten Bahn gesessen ist.

Dieses Problem hat Gudrun im Moment nicht. Der Wagen der Linie U4, in dem sie stehen muss, ist nicht nur überfüllt; es ist auch so heiß, dass ihr schlecht wird. Ihr Kreislauf ist ohnehin nicht gut, und der Mangel an Sauerstoff und die unfreiwillige Nähe zu anderen Menschen, deren nackte Oberarme immer wieder ihre eigenen nackten Oberarme berühren, ist kaum auszuhalten. Den Schweiß fremder Menschen zu riechen ist schlimm, ihn zu spüren tut körperlich weh. Der Gurt ihrer Gitarrentasche schneidet ihr in die Haut; sie hat Angst, dass einer der hässlichen Menschen an ihre schöne Gitarre stößt. Sie muss den Impuls unterdrücken, ihre Arme zu heben und alle von sich weg zu schieben.

An der Station Pilgramgasse drängt noch Max herein, willkommen, Max, je mehr umso besser! Max sagt, hallo Gudrun, wie geht's dir? Das ist das Schöne an Wien, sagt Gudrun, es ist wie in der Provinz, ständig trifft man seine Freunde zufällig in der U-Bahn, und sie redet weiter, weil sie die Stimme von Max jetzt nicht hören will un weil sie nicht auf seine Fragen eingehen will: Aber in der Provinz gibt es keine U-Bahn, in der Provinz, da, wo wir herkommen, da gibt es nichts, da gibt es gar nichts, und jetzt muss ich, und sie springt an der Haltestelle Kettenbrückengasse raus.
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Das Display war mit Asche und Holzstaub bedeckt. Es zeigte den Wiener Türkenschanzpark im Frühling letzten Jahres, die Zweige der Bäume waren mit winzigen weißen und rosa Blüten überzogen.
pp 51 from Satus Katze by Constantin Göttfert

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Und was war das für eine Stadt, durch die der alte Herr spazierte? In einer Auslage sah man Schokoladenpapier, dessen Farbe von der Sonnenbestrahlung gewechselt hatte. Ein junger Mann trug eine Leiter über die Straße. Hundert Meter weiter, in der Strobachgasse, bot eine Frau der Nachbarin von Fenster zu Fenster ein Kleid zum Geschenk, das durch die letzte Diät zu weit geworden war. Stolz hochgehalten wehte es mit großen Blumen über der Straße.
Herr Gabriel begab sich zum Haus Rüdigergasse 5 und öffnete die Wohnung mit der erwartungsvollen, verschwenderischen Zuneigung eines Menschen, der die Schlüssel gerade erst beim Haustor ausgehändigt bekommen hat.
pp 199 from Anna nicht vergessen by Arno Geiger