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Veruntreute Geschichte. Die Wiener Salons und Literatencafés - pp 49-50

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Ernst Polak (1886-1947) war nicht nur eine der überragenden Figuren unter den Herrenhofstammgästen, er war geradezu die Personifikation des Herrenhofgeistes. Berichtet man über ihn, kommt man der Mentalität und Bewußtseinslage, der Lebensweise und Gedankenwelt der typischen, notorischen Herrenhofstammgäste am nächsten. [...] In Prag, später in Wien, übte er den Beruf eines Bankbeamten (zuletzt Prokurist) der Länderbank aus. Der Schwerpunkt seines Wirkens lag jedoch eindeutig im gesellschaftlichen und geistigen Bereich der Literaturcafés, einerlei ob es sich in seinen Jugendjahren um das Café Arco oder das "Continental" in Prag, vorübergehend "Dome" und "Aux Deux Magots" in Paris oder seine Haupt- und Dauerdomäne (1917-1938), das Café Herrenhof in Wien handelte.
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  Café Herrenhof

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In hastig hingefetzten, sich selber davonlaufenden, mit äußerster Willensanstrengung aufs Papier geschleuderten Sätzen gestand sich Heinrich im Tagebuch ein, was er inzwischen bei sich ausgeforscht hatte; Entdeckungen, die er vor sich nicht mehr geheimhalten konnte : daß er sexuell keineswegs so appetitlos sei, wie er bisher von sich angenommen habe; daß es, in Ermangelung anderer Geliebter, mit der Zuneigung zu sich selbst bei ihm immer ärger würde; daß ihn, im Türkenschanzpark, an genau definierter Stelle immer ein Drang erfasse, wo er, immer haargenau am gleichen Ort, beim Abort, dem Häuschen neben dem Eingangstor, immer ganz dringend aufs Klo eilen müsse; um dort, an der Pißwand, die peniblen Kunstwerke zu bewundern und, mit steigender Spannung, die Kleinstanzeigen zu lesen; daß er sich auf der Straße nicht nur nach Mädchen, nein pfuiteufelnochmal, noch öfter nach Jungen umzudrehn angewöhnt habe; nach schönen Jungen, natürlich; daß er den Jungen, den er in Griechenland kennengelernt habe, aufrichtig liebe; ja, daß bei ihm offensichtlich ein Hebel verkehrt eingesetzt, ein Ventil falsch montiert, eine Leitung vom Chef falsch angeschlossen worden sei, da sich bei ihm, oft genug schon vom bloßen Hinschaun, die Hose vorn spanne.
pp 97 from Der lange Gang by Uwe Bolius

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Leider mußte ich jedoch im Café Central feststellen, daß mein Freund nicht allein dort war. Er saß vielmehr im Kreis seiner jüdischen Literatenclique, die inzwischen unter der Bezeichnung "Jung Wien" zu einiger Berühmtheit gekommen war. Mir blieb also nichts weiter übrig, als mich geduldig dazuzusetzen und für eine Weile das Künstlergeschwätz dieser Leute zu ertragen.
pp 23-24 from Der Walzer der gefallenen Engel by C.S. Mahrendorff