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Verführungen - pp 29
Das Café Sacher war leer. Helene war pünktlich. Sie nahm eine Neue Zürcher vom Haken beim Eingang und setzte sich unter das Porträt der Kaiserin Sissi. Sie bestellte einen Campari Orange, begann in der Zeitung zu blättern und wartete. Sie dachte, sie sähe gut aus. Das Kleid half.
Near fragment in time
Dieser Mann, der junge Analphabet, dessen Schicksal dem Stadtrat in einem Akt vorlag, ein Hilfsarbeiter, in seiner Arbeit auf einfachste Verrichtungen beschränkt, trieb den größten denkbaren geistigen Aufwand, um vorzutäuschen, lesen und schreiben zu können. Hätte er diese seine Kraft, die mehr oder weniger lesende und schreibende Umgebung zu täuschen, dafür aufgewandt, lesen und schreiben zu lernen, dann hätte er gewiß sehr schnell in – Lichteneggers ZEITUNG zum Beispiel – die entscheidenden Artikel geschrieben. In der ganzen Stadt, nein, im Ganzen Land, hätte man sich über seinen scharf formulierten Thesen den Kopf zerbrochen und das Maul zerrissen; er wäre die heißen Themen immer kühl angegangen, wäre streitbar gewesen, polemisch, hätte kein heißes Eisen unberührt und sich kein Denkverbot auferlegen lassen. Man hätte ihn hören können, wie er im Hörsaal I des Neuen Institutsgebäudes für die Studenten des Instituts der Zeitungswissenschaften las, und wie er nach dem Ende seiner Vorlesung einer jungen, heftig studierenden Damen persönlich/ privat ins interessierte Ohr sagte: „Hören Sie, in jedem guten Schreiber steckt ein Analphabet …“
pp 85-86 from Der Stadtrat by
Near fragment in space
Und bei dem Kaffee flüstert die gnädige Frau dem jungen Wiener ins Ohr: „I bin diesen Abend allein im Kärntnertor, kommen S’ hin!“ und der junge Wiener lispelt ein freudiges „I küß die Hand!“ und du triffst ihn doch um sieben Uhr in der großen Oper, obgleich er ’s verschworen hatte, den „Freischütz“ wieder zu hören.
pp 60 from Bilder und Träume aus Wien by