Bilder und Träume aus Wien
Nachmittags um vier fuhren wir nach dem Hradschin in die Metropolitankirche zu St. Veit.
Dort geht ein junger Ehemann "zur schönen Tänzerin"; er hätte lieber die "stumme Portici" wählen sollen, denn die erstere könnte plaudern; wenn du nicht in das kleine Gewölbe zum "Polen" willst, so erfrischen wir uns in dem trefflichen Bierhause "Zu den drei Raben".
Aber was ist das? Dort vor dem Kriminalgebäude versammeln sich eine Menge Menschen. Wir sind hier auf dem „Hohen Markt“. Die grüngräulichen Polizeimänner schließen eine Kreis und stellen eine Verbrecherin zur Schau; wir wollen näher gehen und hören, was sie berechtigt hat, in die Öffentlichkeit zu treten.
Wir treten hier hier auf den Stephansplatz. Da ist der riesenhafte Turm, der seinen alten ehrwürdigen Kopf hoch hinausstreckt über ganz Wien und den Fremden von allen Bergen her freundlich entgegenblickt; die ewige Poesie Wiens.
Heiligenstadt ist ein hübsches Badeörtchen am Fuße des Kahlenbergs; Grillparzer und Bauernfeld essen gewöhnlich dort zu Abend, solange die Schwalbe durch die Blätter streicht, und du hast Gelegenheit, diese berühmten Männer kennenzulernen.
Folgen wir derselben jetzt die Kärntnerstraße hinauf bis zum Hofoperntheater. Eine enge Straße und lebhafte Passage!
1. Im Wurzelprater und im Lerchenfeld sitzt [sic!] Vater und Mutter, Sohn und Tochter, und alle lachen herzlich über die giftigen Zoten, die mit artigen Melodien überzuckert, aus dem Munde der sogenannten Harfenisten ertönen und von höchst charakteristischen Mienen und Gesten begleitet werden, um ihren Effekt zu erhöhen; in den Volkstheatern aber liegt das Gift versteckter und hat folglich eine noch größere Wirkung.
Sie wandeln nach der Promenade, werfen links und rechts feurige Blicke, spielen im Kaffeehaus drei Partien Domino und trennen sich mit dem Versprechen, sich abends im Sperl wieder zu finden.
Und bei dem Kaffee flüstert die gnädige Frau dem jungen Wiener ins Ohr: „I bin diesen Abend allein im Kärntnertor, kommen S’ hin!“ und der junge Wiener lispelt ein freudiges „I küß die Hand!“ und du triffst ihn doch um sieben Uhr in der großen Oper, obgleich er ’s verschworen hatte, den „Freischütz“ wieder zu hören.
Kommt hinaus nach dem Prater! Ich will mitten unter eurem Trubel stehen und mich freuen, weil ich fröhliche Menschen, weil ich Menschen um mich habe!
Wenn der Fremde nicht symbolisch auf den Kopf gefallen ist, und der Fiaker will ihn überteuern, so antwortet jener: „Ach, erlauben Sie, das ist wohl zu viel?“ sondern: „Aber Kerl, bist du wahnsinnig? Von der Kärntnerstraße bis zur Jägerzeile willst du drei Zwanziger? Drei Zehner, und willst du dafür nicht fahren, so laß es bleiben? Verstehst?“
Das Burgtheater hat einen Nimbus, wie kein anderes in Deutschland. Von allem bedeutenden Bühnen ist sie die einzige, auf der weder die aufregende Musik, noch leichtgeschürzte Tänzerinnen profan zwischen die keuschen Gebilde der Dichtkunst treten; selbst Thalia darf sein gemeines Gesicht schneiden, will sie sich vor den Großen des Landes sehen lassen.
Das Burgtheater ist heiliger als Gott. Wer nicht lobt und preist, ist verflucht!
Das einzige Theater Wiens, das Raimund noch für würdig hält, seine Dichtungen ins Leben treten zu lassen, ist in der Leopoldstadt, und die Bühne ist auch überhaupt die einzige, auf welcher sich ein Volksleben zeigt.
Wie traurig dagegen sieht es an der Wien aus. An der Wien, wo Nestroy und Scholz die beiden Säulen sind, die das Theater halten; ohne welche es in sein Nichts zusammenfiele.
Das Josefstädter Theater hat gar keine Eigentümlichkeit als die, daß es fortwährend bankrott ist.
So oft mich mein Weg über den Stephansplatz führte, ging ich durch die erhabene Kirche, durch das Ecce homo! der Wiener, um mich auf einige Minuten abzukühlen.
1945 lagerte hier der Erzherzog Leopold Wilhelm von Österreich der schwedischen Armee gegenüber: eine Kanonenkugel aus dem feindlichen Lager schlug neben dem Herzog in den Sand, ohne ihn zu verletzen; da es gerade am Brigittatage war, so nannte man die grüne Wiese Brigittenau.
Der Spaziergang auf der Bastei ist unbeschreiblich schön; jeder Schritt eröffnet dem Auge ein neues Gemälde.
Der Volksgarten zur rechten Seite des Burgplatzes war gestern abend [sic!] sehr belebt, und für mehr Leben wurde noch nebenbei gesorgt.
Hier prangt auch der bekannte Theseustempel mit Canovas Meisterwerke: der besiegte Zentaur aus carrarischem Marmor.
Imposant, aber sein schönes Grabmal in der Augustinerkirche gefiel mir noch besser.
In der Leopoldstadt wurde ein Stück einstudiert, in welchem von einem Manne die Rede war, der rote Haare hatte. Die Zensur machte aus den Haaren Augenbrauen, vielleicht, weil die Haare eines hohen Beamten ins Rötliche spielten.
Das Fest im „Sperl“ war reizend. Wie eine Weihnachtspyramide sahen die Säle und die üppigen Bäume mit ihren tausend Lampen aus.
In der St. Michaelskirche umspielten bunte, neckische Gestalten ein Grabmal. Metastasio schläft dort.
[…] Wir zogen unter schattigen Linden und Kastanien, singend an dem k.k. Tiergarten vorbei, der von einer Mauer, drei Meilen im Umfange eingeschlossen ist.
Zuerst die k.k. Gemäldegalerie im Belvedere mit mehr als zweitausend Stücken, Werke italienischer Meister aus verschiedenen Epochen, aus der neueren Zeit, der frühesten und zweiten Epoche, der deutschen Kunst, der alt-rheinländischen, alt-flämländischen, der niederländischen Schule.
Nun kommt die Kunstsammlung der k.k. Hofbibliothek mit 300.000 Holzschnitten und Kupferstichen, die Sammlungen der Gemälde, Kupferstiche und Handzeichnungen des Fürsten Esterházy von Galántha, des Fürsten von Liechtenstein, des Grafen von Czernin, von Schönborn-Buchheim und die überaus prächtige des ruhmgekrönten Feldherrn Erzherzog Karl.
Viele große Zimmer auf der Augustinerbastei sind mit kostbaren gebundenen Büchern der deutschen, englischen, spanischen, italienischen und französischen Literatur, mit teuren wissenschaftlichen Werken und mit 900 Portefeuilles gefüllt, welche über 150.000 Kupferstiche der berühmtesten Meister enthalten.
Wir waren in Schönbrunn. Ein schönes Lustschloß, der Garten im alten französischen Geschmacke.
Man machte mich darauf aufmerksam, nicht den modernen Gottesdienst der deutschen Juden zu versäumen. In dem Hofe eines Hauses auf dem Kornmarkte steht die Synagoge, klein und ohne besonderen Eindruck; innen ohne Pracht, mit dicht übereinander gebauten Logen, ohne Gemälde, ohne einen anderen Schmuck als viele Lichter.
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