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Zores - pp 102-103

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Er betrat auf der Alserstraße direkt neben der Beethovenkirche ein Stehkaffee und bestellte sich eine Schale Gold, ehe er sich, während er auf das Heißgetränk wartete, eine Zigarette anzündete. Am Nebentisch unterhielten sich flüsternd zwei Arbeiter. An Bronsteins Ohr drangen nur einzelne Gesprächsfetzen.
"... der Hitler lasst uns ned hängen. Der kommt, wirst sehen!"
"... aber die Volksabstimmung ..."
"Wirst sehen, die is´ wurscht. Zur Not gibt´s halt an Putsch. Ein erfolgreichen diesmal. Und dann sand´s weg, die ganzen Ostler. Wien wird judenrein, das sag´ ich Dir."
Der zweite Arbeiter, der eben noch skeptisch und bedrückt gewirkt hatte, richtete sich auf. Um eine Nuance lauter sagte er: "Ma, des warat sche. Endlich weg mit de Gfraster. Juden, Zigeiner, Monarchisten, Sozialisten, Kommunisten, Christen, Hahnenschwanzler, ... olle weg! Waun I kenntat, wia I wolltat, I schoffat des ollas o. Heit no."
Bronstein fühlte eine tiefgreifende Übelkeit in sich aufsteigen. In großen Schlucken trank er seinen Kaffee aus und flüchtete sodann eilends aus dem Lokal. Er passierte das Landesgericht, überquerte die Zweierlinie und hielt auf die Universität zu. Dort hielten die politischen Manifestationen an, und in Bronstein machte sich allmählich Panik breit. Immer schneller ging er, bis er am Ring schon fast ins Laufen kam. Beinahe ohne auf den Verkehr zu achten, wechselte er die Straßenseite und befand sich endlich vor dem Präsidium.
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Nach dem Mittagessen wandere ich in die Josefstadt. Um drei Uhr kann ich das WG-Zimmer in der Piaristengasse besichtigen. Die Wohnung liegt um die Ecke vom Theater. Als ich an der Türglocke läuten will, spricht mich ein Pärchen an. Die beiden sind schon eine Weile hinter mir gegangen. Ich habe sie zusammen lachen hören.
pp 51 from Gegen einsam by Daniela Meisel

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Mimi war noch irgendwo verabredet und musste gehen. Ich bot ihr an, den Kaffee zu zahlen, sie ließ es nicht zu. Sie schrieb ihre neue Adresse auf eine Serviette: Mondscheingasse. Sie sagte, das sei eine Seitengasse von der Neubaugasse, zwischen Mariahilfer Straße und Burggasse. Ich solle bei Safranski klingeln. Sie schrieb mir auch diesen Namen auf die Serviette. Zum Abschied gaben wir uns die Hand.
Bis nächste Woche, sagte ich.
Sie antwortete: Wenn der Vormieter bis dahin seine Sachen abholt. Wahrscheinlich sehen wir uns vorher noch am Institut.
Ich sah sie an den Fenstern vorbeigehen, hinunter Richtung Votivkirche. Ich blieb noch ein wenig sitzen, dann fuhr ich zu meinem Großvater in den Stadtteil Meidling. Als wir noch in der Nähe im Gemeindebau gewohnt hatten, war ich oft, wenn er etwas Handwerkliches getan, zum Beispiel die Wohnung ausgemalt hatte, bei ihm gewesen. Mein Wiener Großvater machte alles selbst. Er hatte auch die meisten Möbel selbst hergestellt. Dabei hatte er keinen großen Kellerraum zur Verfügung. Er schob im Wohnzimmer den Esstisch zur Seite, rollte den Teppich ein, legte auf dem Fußboden Zeitungen aus und stellte Zimmerböcke darauf. Das war seine ganze Werkstatt, Zimmerböcke im Wohnzimmer. Darauf wurde gebohrt, gesägt, gehämmert, geschraubt, gekittet und gestrichen. Nichts stellte er auf dem Boden ab. Alles ruhte immer auf den Zimmerböcken. Und wenn er ausmalte, verwendete er, um die Decke zu erreichen, nicht eine Leiter, sondern stellte auch dafür die Zimmerböcke auf und legte ein dickes Brett darüber. Als Kind hatte ich ihn einmal gefragt, warum diese Dinger Böcke heißen, und er hatte geantwortet, weil sie vier Beine haben, einen Kopf und einen Schwanzstummel, wie Böcke eben.
pp 181-182 from Das Vaterspiel by Josef Haslinger