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Im Schatten der Zeit - pp 5

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Anna kam am 3. Dezember 1909 in Wien zur Welt und war die zweite der vier Töchter des Glasmalermeisters Franz Goetzer. Sie wuchs in der Schulgasse im Bezirk Währing auf. Dort besaß eines der mehrstöckigen Vorstadthäuser eine mächtige Durchfahrt zum weitläufigen Hinterhof, und an dessen Ende lag das Gebäude, in dem sich die Wohnung der Familie und die Werkstatt des Vaters befand. Die Wohnräume lagen ebenerdig, und der unter ihnen befindliche Keller beherbergte die Glasmalerei. Diese führte auf der Rückseite des Hauses zum tiefer gelegenen Garten hinaus. Man musste an Kaninchenställen vorbei, eine Art Korridor überwinden, oder man wand sich zwischen buntem Glas, Arbeitstischen, am murrenden Vater und seinen freundlich grüßenden Gehilfen vorbei durch die gesamte Werkstatt, um diesen Garten zu erreichen. Kaum hatte man ihn betreten, tat sich sofort sein Wunder auf. Er hatte sich im Andrängen der allmählich immer städtischer werdenden Bauvorhaben, zwischen Hausmauern, Hinterhöfen und Abladeplätzen, unerschütterlich sein verträumtes, ländliches Aussehen bewahrt. Da gab es Kieswegezwischen üppigen Blumenrabatten und Rasenflächen, Kastanienbäume überwölbten ihn von allen Seiten, einen Hügel zum Hof hin bedeckten hochwuchernde Himbeersträucher mit schmalen Pfaden dazwischen, und sogar ein „Salettl“, wie man das weißlackierte Gartenhäuschen nannte, krönte unter Fliedersträuchern und Laubschatten seine Idylle.
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"Eine Kutsche?" Gustav deutete auf den Fiakerstand gegenüber vor dem Hotel Imperial.
"Nein. Lassen Sie uns zu Fuß gehen, es ist nicht sehr weit."
"Was für ein wunderschöner Tag", sagte Gustav im Plauderton und bot ihr galant seinen Arm an.
Als sie sich ganz ungezwungen bei ihm einhängte, streifte ihr Busen seinen Ellbogen. Er spürte Bewegung in seiner Hose.
Arm in Arm schlenderten sie die Ringstraße entlang. Der Lärm und Dreck auf den Baustellen am Straßenrand tat seinen romantischen Gefühlen keinerlei Abbruch. Ihr Parfüm raubte ihm beinahe den Atem. Oder war es all der Staub und Dreck? Wenn es nicht bald regnete, würde die Reichshauptstadt in einer dicken Staubwolke ersticken.
"Wien wird jetzt zur Großstadt demoliert", hatte Karl Kraus in der Künstlerzeitschrift Wiener Rundschau geschrieben. Dieser kritische Geist hatte wieder einmal Recht gehabt, dachte Gustav. Die Fertigstellung der Ringstraße, der Bau der Gasleitung und die Regulierung des Wienflusses - Baustellen, nichts als Baustellen seit über zwanzig Jahren. Obwohl Gustav ein glühender Anhänger des Fortschritts und der Moderne war, litt auch er unter dieser permanten Lärm- und Geruchsbelästigung.
pp 23 from Der Tod fährt Riesenrad by Edith Kneifl

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In der Volksschule in der Cottagegasse saß Helene auf einem Kinderbänkchen auf dem Gang. An der Wand hingen Kinderzeichnungen. Schneemänner starrten von den Blättern. Jeder Schneemann hatte eine Karotte als Nase. Jede Karotte ragte nach links. Helene fiel ein, wie sie als kleines Mädchen im Kindergarten die Sonne auf ihren Zeichnungen in der Mitte gemalt hatte. Sie konnte den Finger auf ihrem Zeichenblatt noch sehen, wie die Nonne ihr bedeutet hatte, die Sonne in die Ecke zu zeichnen.
pp 41 from Verführungen by Marlene Streeruwitz