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Zores - pp 108-109

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Bronstein überquerte die Ringstraße, hielt auf die Schottengasse zu und bog von dort in die Herrengasse ein. Vor dem Café „Herrenhof“ blieb er stehen.
Für das Abendessen war es, befand er, noch zu früh, also sprach nichts dagegen, sich noch einen Kaffee zu genehmigen. Er trat ein und setzte sich an seinen gewohnten Tisch. Der Kellner trat an ihn heran. „Das Übliche, Herr Oberst?“
„Nein, Herr Franz, bringen S´ mir heute einen Pharisäer. Ich weiß auch nicht warum, aber mir ist g´rad´ danach.“
„Ein Pharisäer, bitte schön, kommt sofort.“ Und der Kellner ging ab. Bronstein wartete einen Augenblick, dann erhob er sich noch einmal und schlenderte zum Tisch mit den Zeitungen. Die Auswahl war, wie er befand, mehr als mager. Neben den drei zentralen Tageszeitungen, der „Reichspost“, der „Neuen Freien Presse“ und der „Wiener Zeitung“, gab es nur die „Illustrierte Wochenpost“, das „Tagblatt“ und das „Sport-Tagblatt“. Mit einer sentimentalen Wehmut erinnerte er sich daran, dass genau dieser Tisch einst unter einem schier unzählbaren Wust an Zeitungen jeden Tag beinahe zusammenzubrechen schien. Der „Pester Lloyd“, das „Prager Tagblatt“, das „Karpaten-Echo“, die „Rundschau“, die „Brünner Zeitung“, …, wo waren die alle hingekommen? Und erst die Blätter aus dem Ausland! Im „Herrenhof“ hatte man natürlich auch die führenden Presseerzeugnisse aus England, Deutschland, Frankreich und der Schweiz jeden Tag auf´s Neue ausliegen gehabt. Und jetzt gab es nicht einmal mehr die altehrwürdige „Times“. Nicht, dass Bronstein des Englischen mächtig gewesen wäre, aber allein schon die Präsenz solcher Presserzeugnisse verlieh dem Ort und damit auch seinem Besucher einen Flair von Weltläufigkeit. Solange die Welt im eigenen Heim zu Gast war, zählte man etwas auf dem Erdenrund. Nun aber war man nur noch miefige Provinz!
Seufzend griff Bronstein zum „Sport-Tagblatt“, denn von Politik hatte er an diesem Abend mehr als genug. Er kam gerade rechtzeitig zu seinem Tisch zurück, als der Kellner den Kaffee abstellte. Bronstein signalisierte durch ein kurzes Nicken einen Dank, setzte sich dann und entnahm seinem Etui eine „Donau“, die er anzündete, ehe er den ersten Schluck aus seiner Tasse nahm.
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Er meldete sich bei Christine Pinter ab und verließ den War Room. Das Verkehrsaufkommen im Zentrum Wiens war gering. Marc bog kurz vor zwölf in die Wassergasse ein. Als er aus dem Wagen stieg, stand Charles Wegner schon im Torbogen des Hauseingangs. [...] "Herr Vanhagen, ich bin ein Gewohnheitstier. Wenn Sie nichts dagegen haben, gehen wir ein paar Schritte zu Fuß. Gleich links um die Ecke, in der Erdbergstraße, gibt es ein Wirtshaus mit hervorragender Wiener Küche. Und wenn wir Glück haben, finden wir ein Plätzchen, wo wir ungestört plaudern können." [...] Wortlos marschierten sie nebeneinander, und Marc sah sich die trostlose Umgebung an. Alte, ein wenig heruntergekommene Mietshäuser, einige leer stehende Geschäftslokale und kaum Menschen auf den Straßen. Als sie um die Ecke bogen, sah er auf der rechten Straßenseite das Wirtshaus. Es befand sich gegenüber dem Bürokomplex eines bekannten Waschmittelkonzerns. Als sie das Lokal betraten, war Marc überrascht. Es war schlicht, aber modern eingerichtet. Die Tische waren nett gedeckt, und alles blitzte vor Sauberkeit. Sie fanden einen etwas abgeschiedenen Platz. Eine junge, adrett gekleidete Serviererin brachte ihnen die Speisekarten.
pp 256-257 from Canard Saigon by Harald Friesenhahn

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In der Teinfaltstraße unten tutete was. Der Sommertag, welcher Frau Mary vor dem Haustor um den Hals gefallen war, wurde ungefähr zu gleichen Zeit von E.P. sowie von seiner späteren Gattin druch Blicke aus dem Fenster wahrgenommen.
pp 49 from Die Strudlhofstiege oder Melzer und die Tiefe der Jahre by Heimito von Doderer