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Bis zur Neige - Ein Fall für Berlin und Wien - pp 147-148
Anna ließ ihren jungen Kollegen bei der U6-Station Spittelau aussteigen, er wohnte irgendwo auf der anderen Seite der Donau, in Transdanubien, wie der Wiener so schön sagt. Diese Stadtteile, Bezirke wie Floridsdorf und Donaustadt, waren für Anna ziemliches Fremdland. Kurz bevor sie in die Währinger Straße stadtauswärts in Richtung ihrer Wohnung bog, entschloss sie sich doch noch, auf einen Abstecher ins Präsidium zu fahren. Florian war ja nicht zu Hause, der Kühlschrank gähnend leer und in ihrem Wohnzimmer hatte es sicher 35 Grad. Da konnte sie genauso gut noch einen kurzen Blick in Bachmüllers Unterlagen werfen. Die Aktenordner standen in einer Reihe nach Jahreszahlen geordnet an der Wand. Einige Dokumente lagen in kleinen Stapeln auf dem Tisch, versehen mit bunten Post-its, auf denen in penibler Schulmädchenschrift diverse Zahlen notiert waren. Gabi Kratochwil war anscheinend ein ordnungsliebender Mensch, die Schrift war definitiv nicht von Robert Kolonja. Ein elegantes kleines Moleskine-Adressbüchlein, eine Brieftasche und ein schwarzer Kalender lagen daneben. Das ist alles, was von einem Leben übrig bleibt, dachte Anna und blätterte im Adressbuch, in denen sich kaum Einträge fanden. Ein paar Nummern in Salchenberg – der Pfarrer Norbert Wieser, das Gemeindeamt, ein paar Nachbarn, das Raiffeisen-Lagerhaus im Nachbarort. Kaum Nummern aus Wien, keine ausländischen Telefonnummern, keine anderen Bachmüllers, keine Frauenvornamen. Der Kalender war ähnlich unergiebig. Anna holte sich ein Glas Wasser und schlug wahllos einen Aktenordner auf. Eingangsrechnungen von Flaschenankäufen, ein paar landwirtschaftliche Geräte, eine Rechnung über mehrere Tonnen Biomist. Plötzlich blieb ihr Blick auf einer Rechnung aus dem Jahr 2008 haften. Ausgestellt vom Biowein Bachmüller an die Weder-Noch-OHG in Berlin. Dass Bachmüller seinen Wein an dieses Lokal verkauft hatte, wusste Anna bereits, doch was sie stutzig machte, war der Betrag, den er dafür in Rechnung stellte. Sage und schreibe eine halbe Million Euro, zahlbar innerhalb von zehn Tagen. Da stimmt doch was nicht, wie viel Wein kann man denn liefern, um 500000 Euro zu kassieren? Auch wenn es teurer Wein war, aber so viel konnte so ein kleiner Winzer doch gar nicht produzieren! Anna nahm sich noch einen weiteren Ordner und nach etwa einer halben Stunde hatte sie noch eine Rechnung ans Weder-Noch, diesmal aus dem Jahre 2007 über 300000 Euro.
Near fragment in time
Zwanzig Minuten dauerte eine Umdrehung. Hoch oben genossen sie den Ausblick über die Stadt, deren Ampeln, Laternen und Scheinwerfer den späten Abend erhellten. Sie wiesen einander auf Sehenswürdigkeiten hin, die sie seit jeher kannten, die aber durch die Perspektive neu an Reiz gewannen. Jonas schenkte nach. Als sie unten angekommen und die Teller gegen die secondi piatti ausgetauscht worden waren, schimmerten Maries Wangen schon rötlich.
Ein Jahr später erwähnte Marie in einem Gespräch mir unterdrückter Ironie seine romantische Ader. Erstaut fragte er nach, woran diese liege. Sie erinnerte an den Abend auf dem Riesenrad. Und so erfuhr er, daß sie für Dinner im Kerzenschein hoch über Wien ebenfalls wenig übrig hatte. Um ihm Freude zu bereiten, hatte sie die wunderbare Atmosphäre gepriesen, in Wahrheit hatte sie sich nach einem Hocker in der Kneipe mit einem Glas Bier gesehnt.
pp 47- from Die Arbeit der Nacht by
Ein Jahr später erwähnte Marie in einem Gespräch mir unterdrückter Ironie seine romantische Ader. Erstaut fragte er nach, woran diese liege. Sie erinnerte an den Abend auf dem Riesenrad. Und so erfuhr er, daß sie für Dinner im Kerzenschein hoch über Wien ebenfalls wenig übrig hatte. Um ihm Freude zu bereiten, hatte sie die wunderbare Atmosphäre gepriesen, in Wahrheit hatte sie sich nach einem Hocker in der Kneipe mit einem Glas Bier gesehnt.
Near fragment in space
Am Samstag stieg die Temperatur auf über dreißig Grad. Und als sie am Nachmittag durch den Wienerwald spazierten, um im Schatten der Laubbäume der Hitze zu entkommen, kam es Schäfer vor, als hätte sich auch die Zeit der schwülen Trägheit dieses Tages nicht entziehen können. Das Frühstück auf dem Balkon erschien ihm wie eine ferne Erinnerung. Der kurze Badeausflug an die Donau, war das wirklich erst vor zwei Stunden gewesen? Normalerweise waren es doch die langweiligen Momente, die kein Ende zu nehmen schienen. Doch wozu dem Gaul ins Maul sehen, wenn er einen so herrlich durch den Tag trägt, dachte Schäfer und bückte sich nach einem Pilz, worauf Isabelle ihn anherrschte, diesen auf keinen Fall anzufassen.
pp 147 from Der bessere Mensch by