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Ohnmachtspiele - pp 212

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Nach dem Essen spazierten sie durch den ersten Bezirk und anschließend in Richtung Museumsquartier. Auf dem Michaelerplatz blieben sie wie ausgemacht stehen und küssten sich zum ersten Mal. Zuerst nur kurz, weil sei beide von der Selbstverständlichkeit dieses Kusses überrascht waren - als ob sie sich schon einige Male getroffen und auf diesen Moment eingestimmt hätten. Sie sahen sich um, ob irgendwelche Bekannte oder Kollegen sie sehen könnten, dann küssten sie sich erneut, ewige Minuten, versunken und zittrig.
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"Gleich halb vier", rief ich der Wie-spät-ist-es-Frau zu, die wie immer auf dem Fensterbrett im ersten Stock lehnte, im Nachthemd, das Haar wild zerzaust. Sie fragte jeden Passanten nach der Uhrzeit. Seit zehn Jahren wohnte ich inzwischen in der Kettenbrückengasse und hatte in dieser Zeit ungefähr tausend verscheidene Uhrzeiten vernommen. Wenn ich das Haustor aufsperrte, wenn ich mein Auto aufschloss, wenn ich einparkte, wenn ich ausparkte, wenn ich mich vor'm Haus unterhielt, wenn ich einkaufen ging und vom Einkaufen zurückkehrte - immer lehnte sie sich aus dem offenen Fenster und fragte: "Wie spät ist es?" Weil ich höflich war und immer noch Gast in diesem Land, antwortete ich ihr seit zehn Jahren jedes Mal, wenn sie mich fragte, auch wenn ich wusste, dass sie wenige Sekunden nachdem ich ihr die Uhrzeit gesagt hatte, den Nächsten fragen würde, der unter ihr die Straße entlangkam. Wenn ich undeutlich redete, zu beiläufig, genervt oder zu leise, setzte sie sofort mit einem schrillen "Wie bitte?" nach. Daher bemühte ich mich bald, stets laut und klar mit ihr zu sprechen.
pp 112 from 6 Österreicher unter den ersten 5 by Dirk Stermann

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Am Michaelerplatz rotteten sich zwei Gruppen zusammen. Die rechts stehende Menge war unschwer als Parteigänger Hitlers zu erkennen. Ein Haufen junger Männer mit Kniebundhosen, weißen Stutzen und genagelten Haferlschuhen. Ihnen gegenüber, direkt beim Einfahrtstor zum Heldenplatz standen ein paar ältere Semester in abgetragenen Mänteln, deren Kragen sie hochgeschlagen hatten. Bronstein vermutete in ihnen Vertreter der illegalen Arbeiterbewegung. Beide Gruppen feixten sich schweigend an, während in der Mitte des Platzes einige uniformierte Polizisten herumgingen, die sichtlich nicht wussten, wie sie auf die Situation reagieren sollten. Bronstein beschleunigte seinen Schritt und sah zu, dass er unerkannt über den Platz kam.
pp 112 from Zores by Andreas Pittler