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Therese. Chronik eines Frauenlebens - pp 79
In einer weißen, an den Rändern gesprungenen, unförmigen Tasse bekam sie ihren Frühstückskaffee, später begleitete sie die Kinder der Frau Kausik, einen Buben und ein Mädchen von neun und acht Jahren, die ihr sehr anhänglich waren, zur Schule, und eine Stunde drauf, nach einem Spaziergang durch den Stadtpark, dessen frühsommerliches Blühen ihre Stimmung ein wenig aufheiterte, sprach sie in einem Stellungsbureau vor, wo sie als eine Person, die es nirgends lange aushielt, ohne Freundlichkeit behandelt wurde.
Near fragment in time
Im Kaffee Imperial saß der Rechtsanwalt Dr. Haberfeld und schob die Zeitungen, die ihm der alte Zahlmarkör Josef gebracht hatte, unwirsch beiseite.
»Sie, Josef, leer ist es jetzt bei euch, daß man neben dem Ofen friert! Früher hat man mühsam sein Platzerl ergattern können und jetzt, jetzt könnt' man bei euch das Traberderby abhalten, weil eh' kein Mensch im Weg steht!«
Josef strich die ergrauten Bartkoteletten, machte tieftraurige Augen, wischte mit der Serviette über den Tisch und sagte sorgenvoll:
»Es geht eh' ein Ringkaffee nach dem andern ein, ich glaub', lang' wer'n mir's auch net mehr machen. Wissen S', Herr Doktor, was die Herren Israeliten – pardon, die Juden, waren, die sind halt alle gern in die feinen Lokale gegangen, wo was los ist und man was sieht. Aber die christlichen Herrschaften, die geh'n ins Vorstadtkaffeehaus und spielen ihr Tarock oder machen eine Billardpartie und gehen sonst lieber zum Heurigen oder ins Wirtshaus. 's ist halt eine andere Zeit jetzt!«
»Das merkt ein Blinder, der taubstumm ist«, brummte der Anwalt. »Sie, Josef, wir zwei kennen einander ja schon lange genug und brauchen uns keine Komödie vorzuspielen. Mir g'fallt halt die ganze G'schicht net! Wien versumpert ohne Juden!«
pp 60 from Die Stadt ohne Juden by
»Sie, Josef, leer ist es jetzt bei euch, daß man neben dem Ofen friert! Früher hat man mühsam sein Platzerl ergattern können und jetzt, jetzt könnt' man bei euch das Traberderby abhalten, weil eh' kein Mensch im Weg steht!«
Josef strich die ergrauten Bartkoteletten, machte tieftraurige Augen, wischte mit der Serviette über den Tisch und sagte sorgenvoll:
»Es geht eh' ein Ringkaffee nach dem andern ein, ich glaub', lang' wer'n mir's auch net mehr machen. Wissen S', Herr Doktor, was die Herren Israeliten – pardon, die Juden, waren, die sind halt alle gern in die feinen Lokale gegangen, wo was los ist und man was sieht. Aber die christlichen Herrschaften, die geh'n ins Vorstadtkaffeehaus und spielen ihr Tarock oder machen eine Billardpartie und gehen sonst lieber zum Heurigen oder ins Wirtshaus. 's ist halt eine andere Zeit jetzt!«
»Das merkt ein Blinder, der taubstumm ist«, brummte der Anwalt. »Sie, Josef, wir zwei kennen einander ja schon lange genug und brauchen uns keine Komödie vorzuspielen. Mir g'fallt halt die ganze G'schicht net! Wien versumpert ohne Juden!«
Near fragment in space
Sie lächelte und war froh. Er küßte ihr die Hand, sie wandelten im Stadtpark hin und her, Arm in Arm, standen am Teich, sahen den Kindern zu, die die Schwäne futterten, Kasimir erzählte von einem Pariser Park und von einem Teich, darin er eines Abends herumgerudert war und im Kahn, im Schatten eines künstlichen Felsens, übernachtet hatte. »Wohl nicht allein?« meinte sie. Er legte die Hand beteuernd auf sein Herz. »Ich weiß nicht mehr. Vergangene Dinge.« – Therese wollte von Paris und Rom und all den fernen Städten nichts mehr hören. Wenn er sich dahin sehne, so solle er doch lieber gleich wieder davonreisen. Er drückte ihren Arm fest an den seinen und lud sie ein, auf der Terrasse des Kursalons mit ihm eine Jause zu nehmen. An einem kleinen Tischchen ließen sie sich nieder, und Therese bekam plötzlich eine lächerliche Angst, daß man sie hier mit Kasimir sehen und darüber »ihrer Herrschaft« berichten könnte.
pp 93 from Therese. Chronik eines Frauenlebens by