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Boboville - pp 18

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Weiter gegen den Wald, der hier einmal stand, jenseits von Boboville, im Dunkel der Provinz, da lag unsere Schule. Es war keine normale Schule. Ganz im Gegenteil, es war eine ganz und gar unnormale, absonderliche, eine ganz und gar abscheuliche Schule. Die Private Volksschule des Vereins der Schulschwestern vom 3. Orden des hl. Franziskus für Knaben und Mädchen mit Öffentlichkeitsrecht. Sie war das Gegenteil vom Bonbongeschäft. Aber für die Genese Bobovilles, für die Aufklarung der Andreamaria waren die Vorgänge in ihrem Inneren gewiss mindestens so wichtig. Denn wo Licht ist, so lernten wir es im Religionsunterricht beim Herrn, den wir den Herrn Katechet nannten, ist immer auch der Schatten. Und es war viel Schatten im Gebäude
Leopoldsgasse 1a.
Auch dieses hatte seine Richtigkeit. Ein Gebäude wie das der Schulschwestern konnte nur die Hausnummer 1a tragen. Nichts anderes wäre denkbar gewesen als diese Zahl. Und um die Gelegenheit zu nutzen, diese Erstheit noch zu unterstreichen, fügte das Schulschwesternkommando auch noch den Buchstaben »a« an. Jedes Gebäude, das diese Straßennummer hätte unterschreiten wollen, hätte tief in die Untere Augartenstraße hinein bauen müssen und sich Leopoldsgasse römisch eins groß A nennen müssen. Leopoldsgasse 1A. Eventuell hätte ein solches Gebäude der Schulschwesternburg den Eminenzrang abgelaufen. Jenseits dieser Privatüberlegungen hatte die Hausnummer »1a« etwas zutiefst Schulisches. Klar, dass ich eine Klasse besuchte, deren Kennzahl ebenfalls »1a« war.
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Ich schwinge mich also aufs Rad und trete in die Pedale, bis der Beton des Gehwegs als Steilküste in den Donaukanal kippt. Hier, an diesem Strandplazebo, gedenke ich ein Bier zu trinken. Die Freuden des Erwachsenendaseins. Der Türsteher am Tor zum Gastgarten des coolen Clubs will meine Tasche gar nicht erst durchsuchen, was ihm eine Weigerung meinerseits, mir eine darauf folgende Zutrittsverweigerung seinerseits und uns beiden einige Unannehmlichkeiten, wie z.B. vom Schreien heisere Stimmen, erspart. Mir außerdem Geld: Alles was am Donaukanal liegt, betrachte ich als Picknickzone, setze also auf Selbstversorgung. Ich platziere mich möglichst weit vom Türsteher entfernt auf einen der Holztische, ziehe die Bierflasche – deren Marke zur im Lokal ausgeschenkten passt – aus dem Rucksack und will mein Karma auf Reisen schicken, das aber selbstbestimmt auf meiner Schulter hocken bleibt. Neben mir am Tisch wird diskutiert. Eine Gruppe ziemlich euphorischer Frauen mit teilrasierten, wasserstoffgebeizten Haaren und in zu engen Hosen und zu weiten, ideologisch aufgeladenen T-Shirts bespricht den Zustand der Welt im Allgemeinen und den Zustand ihrer Band im Speziellen. Mein Karma unterhält sich köstlich. Ich trinke einen Schluck Bier. Es ist warm und schäumt über.
pp 43 from Freischnorcheln by Mieze Medusa

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Das himbeerkracherlrote Bonbongeschäft gegenüber von Herzls sozialistischer Dampfbügelei ist der Nabel von Boboville. Auch wenn andere Bobovillains von anderen Nabeln wissen wollen. Von Nabeln im Village oder im Marais. Oder Umbilicae in Castro, Mitte und Kreuzberg. Alles Quatsch. Der Omphalos von Boboville ist das rot gestrichene Bonbongeschäft gegenüber vom rosa Gemeindebau, der nach Theodor Herzl benannt ist. Gestern habe ich das Schreiben des Bobovillebuchs unterbrochen, um in einem hastigen Anflug von Bekümmerung in die Leopoldsgasse zu fahren und Nachschau zu halten, ob das Bonbongeschäft überhaupt noch existiert. Ich parkte vor dem rosa Gemeindebau, wie es sich für Bobovillains gehört, mit drei Rädern im Kriminal, auf der Bushaltestelle nämlich. Mein Schreck war groß. Das Bonbongeschäft existiert. Unverändert. Sogar die gelben Plastikbahnen in seinen Auslagen sind noch da. Etwas gebleicht von der Leopoldstädter Sonne.
pp 17 from Boboville by Andrea Maria Dusl