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Rückkehr nach Wien - pp 58
Mein Großvater war Kaufmann, der Inhaber einer Firma, die ihren Sitz im traditionellen Geschäftsviertel nahe dem Franz-Joseph-Kai besaß. In diesem Stadtteil sind die ärgsten Verwüstungen geschehen. Die wütendsten Kämpfe während der Belagerung fanden zu beiden Seiten des Donaukanals statt, als die zurückweichenden SS-Bataillone, ironischerweise im früheren Ghetto verschanzte, die Stadt von ihrem Ufer aus beschossen hatten. Der Kai, dieses Merkmal der merkantilen Jahrhundertwende, wurde fast zur ‚Gänze von deutschen Geschützen zerstört. Alle Brücken außer einer sind geborsten, ihre Reste ruhen im Wasser, das überdies von versunkenen Schleppkähnen blockiert zu sein scheint. Während ich mit einem anderen Korrespondenten an dieser Kette von Ruinen vorüberfahre, verleiht ein plötzlicher Schneesturm ihrem Anblick eine barbarische Trauer.
Near fragment in time
In der Salvatorgasse, dem Eingange des alten Maigstratsgebäudes gegenüber, steht ein hl. Christophorus. Wenige Wiener wissen, daß dieser kräftige Mann mit dem Stocke in der Hand den hl. Christoph vorstellen soll; viele halten diese Statue für das Bild eines schlichten Bauern.
Der hl. Christophorus und die Eselin, welche Christus bei dem Einzüge in Jerusalem getragen hatte, gingen einst in die weite Welt, um sich am Reisen zu erfreuen. Der Zufall wollte, daß beide in Wien in einem Gasthause auf der Mariahilferstraße zusammenkamen. Die Freude des unverhofften Wiedersehens in Wien war groß, und beide erzählten einander, woher sie kamen, wohin sie wollten und was ihnen auf der Reise alles begegnet sei. Und so gab ein Wort das andere und leider kamen beide dabei in Streit hinsichtlich der Frage, wessen Verdienst das größere sei, das des hl. Christophorus, der den Herrn als Jesukindlein getragen, oder das der Eselin, die Christum als Lehrmeister der Menschheit nach Jerusalem gebracht hat. Sie konnten sich nicht einigen, und weil keins nachgab, so wurde der Wortwechsel schärfer und derber; ein spitzes Wort um das andere flog bald hinüber bald herüber, so daß endlich dem hl. Christophorus der Geduldfaden riß; flugs holte er mit der Hand aus und gab der Eselin einen Schlag ans Ohr, daß sie unter den Tisch fiel. Sie raffte sich aber schnell auf, warf einen zornwütigen Blick auf den Heiligen, und sagte: So, jetzt verklage ich dich bei dem Stadtrat - und lief nun, was sie laufen konnte, schnurstracks in die innere Stadt in den Magistrat. Der hl. Christophorus zögerte auch nicht, sondern lief der Eselin nach, und als er sah, daß sie in ein Haus in der Salvatorgasse rannte, so stellte er sich diesem Hause gegenüber auf und wartete, bis die Eselin wieder herauskäme. Und so steht denn der hl. Christophorus noch immer an dieser Stelle und wartet der Eselin, doch diese hat bis heute noch nicht das Magistratsgebäude der Stadt Wien verlassen.
pp 46- from Der hl. Christophorus in der Salvatorgasse in Wien by
Der hl. Christophorus und die Eselin, welche Christus bei dem Einzüge in Jerusalem getragen hatte, gingen einst in die weite Welt, um sich am Reisen zu erfreuen. Der Zufall wollte, daß beide in Wien in einem Gasthause auf der Mariahilferstraße zusammenkamen. Die Freude des unverhofften Wiedersehens in Wien war groß, und beide erzählten einander, woher sie kamen, wohin sie wollten und was ihnen auf der Reise alles begegnet sei. Und so gab ein Wort das andere und leider kamen beide dabei in Streit hinsichtlich der Frage, wessen Verdienst das größere sei, das des hl. Christophorus, der den Herrn als Jesukindlein getragen, oder das der Eselin, die Christum als Lehrmeister der Menschheit nach Jerusalem gebracht hat. Sie konnten sich nicht einigen, und weil keins nachgab, so wurde der Wortwechsel schärfer und derber; ein spitzes Wort um das andere flog bald hinüber bald herüber, so daß endlich dem hl. Christophorus der Geduldfaden riß; flugs holte er mit der Hand aus und gab der Eselin einen Schlag ans Ohr, daß sie unter den Tisch fiel. Sie raffte sich aber schnell auf, warf einen zornwütigen Blick auf den Heiligen, und sagte: So, jetzt verklage ich dich bei dem Stadtrat - und lief nun, was sie laufen konnte, schnurstracks in die innere Stadt in den Magistrat. Der hl. Christophorus zögerte auch nicht, sondern lief der Eselin nach, und als er sah, daß sie in ein Haus in der Salvatorgasse rannte, so stellte er sich diesem Hause gegenüber auf und wartete, bis die Eselin wieder herauskäme. Und so steht denn der hl. Christophorus noch immer an dieser Stelle und wartet der Eselin, doch diese hat bis heute noch nicht das Magistratsgebäude der Stadt Wien verlassen.
Near fragment in space
Auf der Salztorbrücke lehnte er sich gegen die Brüstung. Wind trieb ihm Staubkörnen in die Augen. Blinzelnd sah er hinab auf das Wasser. Es schien ihm sauberer als früher. Sich mit ausgebreiteten Armen auf das Gelände stützend, blickte er auf die Uferpromenade hinunter, die mit flachgetretenen Limonadedosen, Zigarettenschachteln, anderem Plastikmüll und Papier übersät war. Im Sommer war er hier mit Marie flaniert. Sie hatten Eis gegessen. Manchmal entschieden sie sich, gleich am Kanal beim Griechen zu Abend zu essen. Mit der Dämmerung kamen die Moskitos. Ihn wollten sie nicht stechen. Marie hingegen hatte kein Mückenöl und keine Duftkerze geholfen, andertags war sie mit Dutzenden roten Beulen erwacht. Er wandte sich mit einem Ruck um. Niemand stnad da. Leise rauschte unter ihm der Donaukanal hinweg.
pp 298-299 from Die Arbeit der Nacht by