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Zwischen zwei Nächten - pp 9-10

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Ann-Marie lehnte sich zurück, schloß die Augen und träumte vom dritten Wiener Gemeindebezirk.
Nach Vaters Pensionierung waren ihre Eltern aufs Land gezogen, doch aufgewachsen war sie in einem Eckhaus in der Erdbergstraße. Das Service mit dem Zwiebelmuster, das nur an Sonn- und Feiertagen verwendet wurde, hatte, jedesmal wenn die Straßenbahn vorbeifuhr, gefährlich zu klappern begonnen. Und abends, wenn der Vater von der Arbeit heimgekommen war - er war am Landstraßer Bahnhof beschäftigt gewesen -, hatte er den Fernsehapparat eingeschaltet und war bis Mitternacht oder zumindest bis zur Bundeshymne vor dem flimmernden Bildschirm gesessen. Da er schwerhörig war, lief der Kasten immer in voller Lautstärke. An Lärm hatte es in ihrer Kindheit nie gemangelt.
Ob das dreistöckige Zinshaus, in dem sie gewohnt hatten, noch stand? Es wurde viel gebaut in Wien, wahrscheinlich hatte sich in Erdberg alles verändert. Vielleicht hatte auch der kleine Beserlpark, in dem sie ihre ersten Raufereien und ihr ersten Küsse glücklich überstanden hatte, dem U-Bahnbau weichen müssen.
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Near fragment in time

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Gut, ich saß nach, obwohl es schad um die Zeit war. Im Schönbornpark ein paar Runden Dauerlauf mit dem zähen Willner wären schöner gewesen.
pp 327 from Werke II: Erzählungen: BD 2 by Albert Ehrenstein

Near fragment in space

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Es klarte wieder auf, und es kam sogar die Sonne heraus, als das Konzert noch im Gange war. Mir kam es vor, als hätte der Regen Stunden gedauert. Ich ging in die Arena zurück. Die Bühne war überdacht, aber die Zuhörer stan-den bis zu den Knöcheln in einem Sumpf. Nur wenige hat-ten Regenkleidung oder Schirme bei sich. Sie meisten wa-ren, so wie ich, völlig durchnässt. Das trübte die Stimmung aber nicht. Von den Menschen, die sich am Bühnenrand drängten und immer noch im Rhythmus der harten Beats sprangen, stieg eine Dampfwolke auf und dann, nach dem Schlussakkord, ein endloses Kreischen und Pfeifen. Wäh-rend die Menschen zum Ausgang drängten, viele von ihnen mit den Schuhen in den Händen, hielt ich mich am Rande der Tribüne an einer Eisenstange fest, um nicht vom Strom mitgerissen zu werden. Auch Gerhard und den beiden Frauen klebten die Kleider am Körper. Meine Schwester trug, wie immer, einen schwarzen Büstenhalter, der nun an der Innenseite des T-Shirts klebte. Bibi, das war deutlich zu sehen, hatte ein leicht vorstehendes Brustbein, aber nicht den geringsten Ansatz eines Busens. Hingegen hatte sie große, abstehende Brustwarzen, auf die ich so lange und offenbar so auffällig schaute, bis Bibi ihre Bluse von der Brust wegzog und nichts mehr zu sehen war.
Wir fuhren in eine Pizzeria in der Margaretenstraße, in der meine Schwester und Gerhard schon öfter gewesen wa-ren. Dort gab es eine gute vegetarische Pizza. Aber die Kellnerin wollte uns, weil wir so nass waren, anfangs gar nicht Platz nehmen lassen. Gerhard ging zur Wirtin und redete auf sie ein, wobei er gestikulierte, als wäre er ein wasch-echter Italiener. Er hatte Erfolg. Die Wirtin brachte schwarze Abfallsäcke und legte sie auf die Stoffpolsterung der Sitzbank. Prego signori, sagte sie. Gerhard bestellte eine Flasche Chianti, und kurz darauf sah ich meine Schwester das erste Mal Alkohol trinken. Ich begann laut zu lachen, bekam dabei aber den Wein in die falsche Röhre und musste husten.
Was hast du?, fragte Klara
Ich kenne dich überhaupt nicht, antwortete ich mit dem wenigen Atem, den mir das Lachen und Husten ließ. Ich dachte, du bist strikte Antialkoholikerin.
Da seht ihr, wie es bei uns in der Familie zugeht, sagte Klara. Keiner hat eine Ahnung vom anderen.
Stimmt, antwortete ich. Wahrscheinlich hat unser Alter längst zehn Freundinnen, und die Mama geht heimlich auf den Strich.
Die Mama auf den Strich? Das glaubst du wohl selber nicht.
Doch, sagte ich. Ich traue es ihr zu.
Das ist ja nun wirklich der letzte Blödsinn, sagte Klara, und dann suchten wir ein anderes Thema.
Nach dem Essen gingen wir in die Wohnung von Bibi und Gerhard in der Hofmühlgasse, ganz in der Nähe des Margaretenplatzes. Die beiden wohnten in einem Pawlat-schenhaus, bei dem die Wohnungen von einem Arkaden-hof aus begehbar waren. Die Wohnung gehörte den Eltern von Bibi und Gerhard, und so war sie auch eingerichtet. Schleiflackmöbel und ein Kristallluster schon im Vorzim-mer. Bevor die Kinder studierten, hatten die Eltern diese Wohnung nur an Wochenenden benutzt, wenn sie nach Wien in die Oper oder ans Konzert fuhren.
pp 238-240 from Das Vaterspiel by Josef Haslinger