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Chucks - pp 138-139
Eine Szene der gestrigen Nacht ist heil geblieben: Paul und ich, wir beide auf dem Heimweg, er trunken und ich schon nahezu besoffen, er melancholisch und ich jämmerlich, wir warten auf die Straßenbahn. Er hält meine Hand, wir verschränken unsere Finger ineinander, die Anzeige, die über die verbleibende Wartezeit informiert, ist ausgefallen. Wir scharren beim Warten mit den Füßen, weil es schwer ist, ruhig stehen zu bleiben, wenn die Gedanken sich drehen.
Als die Straßenbahn endlich kommt, ist sie leer. Wir sitzen alleine in der Mitte des sich durch die Straßen windenden Schlauches.
"Manchmal ist mir nach Heulen", sagt Paul.
Wir fahren an einer weißen Fassade vorbei, an der in Reliefschrift steht: "If you are a banana and try to be an apple", und dann sind wir schon vorüber, aber ich kann die untere Zeile Wort für Wort auswendig. Überhaupt fühle ich mich momentan mehr wie ein Fruchtcocktail.
Als die Straßenbahn endlich kommt, ist sie leer. Wir sitzen alleine in der Mitte des sich durch die Straßen windenden Schlauches.
"Manchmal ist mir nach Heulen", sagt Paul.
Wir fahren an einer weißen Fassade vorbei, an der in Reliefschrift steht: "If you are a banana and try to be an apple", und dann sind wir schon vorüber, aber ich kann die untere Zeile Wort für Wort auswendig. Überhaupt fühle ich mich momentan mehr wie ein Fruchtcocktail.
Near fragment in time
"Fritz sagte, dass gestern Nachmittag eine Vermisstenmeldung einer Zamira Simaku eingegangen ist. Der Bruder des abgängigen Mädchens, ein gewisser Skender Simaku, wohnhaft in der Zwerngasse, meldete das Verschwinden seiner Schwester. [...]"
pp 404-405 from Canard Saigon by
Near fragment in space
Das Lokal, in dem der Slam stattfindet, liegt in einem U-Bahn-Bogen am Gürtel, und man kann durch verglaste Bögen auf beiden Seiten nach draußen sehen. Der Raum ist voll, es gibt zu wenige Sitzplätze, das Publikum steht sogar im Durchgang zum vorderen Zimmer. Wir sitzen an einem kleinen Tisch, der kippt, wenn ich mich mit den Ellbogen aufstütze. Die Bedienung bringt unsere Getränke. Paul trinkt einen großen Schluck. Ich überlege, ob er heute Abend blasser aussieht oder ob das bloß das Licht macht.
"Geh du alleine da hoch." Er wirkt angespannt.
"Wie meinst du das?"
"Mir liegt sowas nicht."
"Mir doch auch nicht. Paul, du kannst das doch gar nicht wissen."
"Ich möchte wirklich nicht."
"Wie du meinst ..."
Wie zur Entschuldigung greift er nach einem Stapel Jurykärtchen,d ie gerade von der Bühne herab verteilt werden. Er lächelt mir dabei zu, mit der rechten Seite ein bisschen mehr als mit der linken, kurz wieder ein verlegener Junge, sein Haar steht ihm heute etwas zu Berge, überhaupt scheint mir der ganze Paul ein wenig neben der Spur.
Ich bin aufgeregt. Meine Aufmerksamkeitsspanne ist nicht einmal mit der Kürze dieser Texte kompatibel. Als ich an der Reihe bin, wird nichts besser. Der einzig helle Scheinwerfer blendet mich, ich sehe mein Publikum nicht, worüber ich eigentlich froh bin. Ich erzähle gewollt pointiert von meiner letzten Demo. "Macht kaputt, was euch kaput macht" und so weiter, nur nicht davon, dass die auch schon weider einige Jahre her ist, und alle dreißig Sekunden lasse ich das Publikum "Arschkackpissbullenschwein" brüllen, weil ich glaube, dass sie alle ihren Plenzdorf gelesen haben und das intellektuell stimulierend finden. Sie schreien es fünfmal, von Mal zu Mal nimmt der Enthusiasmus ab, die letzten zwei Mal klingen nur noch widerwillig. Paul reißt trotzdem die Fünf in die Höhe.
"Lieb gemeint", sage ich, während Pauls Wertung nicht gezählt wird.
Am Ende bin ich Vorletzte.
"War wohl nicht politisch genug", sage ich zu Paul und nehme meinen "Ein Bush ist auch nur Botanik"-Button und im die Jurykärtchen ab.
Den Rest des Abends verbringen wir zwischenrufend vor immer größeren Gläsern, und nachdem von den ganzen Stegreifpoeten und Spoken-Word-Penetranten nichts mehr zu sehen ist, sind wir schon etwas betrunken.
pp 135-137 from Chucks by
"Geh du alleine da hoch." Er wirkt angespannt.
"Wie meinst du das?"
"Mir liegt sowas nicht."
"Mir doch auch nicht. Paul, du kannst das doch gar nicht wissen."
"Ich möchte wirklich nicht."
"Wie du meinst ..."
Wie zur Entschuldigung greift er nach einem Stapel Jurykärtchen,d ie gerade von der Bühne herab verteilt werden. Er lächelt mir dabei zu, mit der rechten Seite ein bisschen mehr als mit der linken, kurz wieder ein verlegener Junge, sein Haar steht ihm heute etwas zu Berge, überhaupt scheint mir der ganze Paul ein wenig neben der Spur.
Ich bin aufgeregt. Meine Aufmerksamkeitsspanne ist nicht einmal mit der Kürze dieser Texte kompatibel. Als ich an der Reihe bin, wird nichts besser. Der einzig helle Scheinwerfer blendet mich, ich sehe mein Publikum nicht, worüber ich eigentlich froh bin. Ich erzähle gewollt pointiert von meiner letzten Demo. "Macht kaputt, was euch kaput macht" und so weiter, nur nicht davon, dass die auch schon weider einige Jahre her ist, und alle dreißig Sekunden lasse ich das Publikum "Arschkackpissbullenschwein" brüllen, weil ich glaube, dass sie alle ihren Plenzdorf gelesen haben und das intellektuell stimulierend finden. Sie schreien es fünfmal, von Mal zu Mal nimmt der Enthusiasmus ab, die letzten zwei Mal klingen nur noch widerwillig. Paul reißt trotzdem die Fünf in die Höhe.
"Lieb gemeint", sage ich, während Pauls Wertung nicht gezählt wird.
Am Ende bin ich Vorletzte.
"War wohl nicht politisch genug", sage ich zu Paul und nehme meinen "Ein Bush ist auch nur Botanik"-Button und im die Jurykärtchen ab.
Den Rest des Abends verbringen wir zwischenrufend vor immer größeren Gläsern, und nachdem von den ganzen Stegreifpoeten und Spoken-Word-Penetranten nichts mehr zu sehen ist, sind wir schon etwas betrunken.