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Der bessere Mensch - pp 62-63

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Ohne seinen Assistenten anzusehen, verließ Schäfer das Büro – er bemerkte dessen vorwurfsvollen Blick auch so. Doch was half es, wenn er hinter seinem Schreibtisch nur unruhig wurde und nichts weiterbrachte. Er brauchte Bewegung; außerdem hatte er Hunger.
Über den Ring spazierte er bis zum Volksgarten, wo er sich auf eine Kaffeehausterrasse setzte und einen griechischen Salat bestellte, der dort mediterran hieß. Fast hätte er eine Frau neben ihm um eine Zigarette gebeten. Mit nervösen Fingern blätterte er die Kontoauszüge durch … was machte er nur falsch, dass er sich trotz seines vergleichweise hohen Ranges nicht annähernd solcher Zahlen erfreuen konnte … und das war nur ein Girokonto … da schienen Borns Anleihen, Aktien und Beteiligungen gar nicht auf. Vielleicht doch ganz banaler Geldmord? Irgendwelche Betrügereien, Hinterziehungen … bei solchen Summen war es doch mehr als wahrscheinlich, dass im Gegenzug irgendjemand sehr viel verloren hatte.
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Zur Eröffnung gönnte er sich eine Sachertorte, die er in der Filiale Stephansplatz, der Konditorei Aida erstanden hatte. Dazu echtes handgeschlagenes Schlagobers und eine Kerze.
pp 94 from Sie sprechen mit Jean Améry, was kann ich für sie tun? by Kurto Wendt

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Eine Strategie! Ja, dachte Breuer auf dem Heimweg im Fiaker, es wurde höchste Zeit, dass auch er sich eine Strategie überlegte. So sehr war er damit beschäftigt gewesen, Nietzsche in die Falle zu locken, dass er bislang keinen Gedanken daran verschwendet hatte, wie er den Fang zähmen sollte, der nun auf Zimmer 13 der Lauzon-Klinik festsaß. Während der Fiaker schwankte und holperte, wandte sich Breuer also strategischen Überlegungen zu. Ein schöner Schlamassel; Anhaltspunkte gab es keine, geschweige denn Schulfälle. Er müsste eine vollkommen neue Behandlungsmethode erfinden. Am besten, er besprach die ganze Sache mit Freud; der begrüßte jede solche Herausforderung. Breuer bat Fischmann, am Spital anzuhalten und Doktor Freud ausfindig zu machen.
Das Wiener Allgemeine Krankenhaus, in dem Freud als Aspirant klinische Erfahrung für die spätere eigene Praxis sammelte, glich einer Stadt in der Stadt: In einem Dutzend Gebäudekarrees mit jeweils geschlossenem Hof, von welchen jedes eine eigene Abteilung beherbergte und welche alle durch ein Labyrinth unterirdischer Gänge miteinander in Verbindung standen, waren zweitausend Patienten untergebracht. Eine vier Meter hohe Mauer riegelte die Außenwelt ab.
Fischmann, mit den verschlungenen Wegen bestens vertraut, eilte von dannen, um Freud von seiner Abteilung zu holen. Minuten später schon kehrte er allein zurück. »Doktor Freud ist nicht im Hause. Doktor Hauser sagte mir, er wäre vor einer Stunde in sein Stammlokal gegangen.«
Das von Freud frequentierte Kaffeehaus, das Café Landtmann am Franzensring, lag nur wenige Straßenzüge entfernt, und dort traf Breuer seinen Freund auch an. Er saß allein vor einem Braunen und studierte ein französisches Literaturjournal. Im Café Landtmann verkehrten vorwiegend Ärzte, klinische Aspiranten und Medizinstudenten. Obschon weniger exklusiv als Breuers Stammcafé Griensteidl, abonnierte das Landtmann über achtzig Zeitungen und Zeitschriften, mehr vielleicht als jedes andere Wiener Kaffeehaus.
»Sigmund, lassen Sie uns auf eine Leckerei zu Demel gehen. Ich habe Neuigkeiten über den Migräne-Professor.«
Im Nu war Freud aufbruchsbereit. Er schwärmte leidenschaftlich für die illustre Wiener Hofzuckerbäckerei, konnte sich einen Besuch jedoch nur dann leisten, wenn er eingeladen wurde. Zehn Minuten darauf saßen sie an einem ruhigen Ecktisch. Breuer bestellte zwei Braune, ein Stück Schokoladenkuchen für sich selbst und für Freud Zitronencremetorte mit Schlag, welche dieser so gierig verschlang, dass Breuer seinen jungen Freund drängte, sich vom silbernen Kuchenwagen ein zweites Stück auszuwählen. [...] »Aber ja!« Breuer war begeistert. »Eine bedeutsame Einsicht!« Er ließ ein paar Kupferkreuzer auf dem Tisch liegen, und dann schlenderten er und Freud hinaus auf den Michaelerplatz. »Wenn mein Patient diesen anderen Teil in sein Ich aufnehmen könnte, wäre viel gewonnen. Wenn er einzusehen vermöchte, wie natürlich es ist, Trost von seinen Mitmenschen zu erhoffen, das genügte schon!«
Sie gingen den Kohlmarkt hinab und trennten sich dann im Gedränge am Graben. Freud schlug den Weg durch die Naglergasse zum Krankenhaus ein, Breuer schlenderte über den Stephansplatz Richtung Bäckerstraße. Die Nummer 7 lag schräg hinter den hochaufragenden romanischen Türmen des Westwerkes des Stephansdoms.
pp 217-226 from Und Nietzsche weinte by Irvin D. Yalom