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Der bessere Mensch - pp 95

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"Wo ist dein Vater normalerweise, wenn er nicht zu Hause ist?"
"Kaffeehaus oder so …"
"In welchem?"
"Weiß ich nicht genau … am Brunnenmarkt …"
Schäfer wurde plötzlich übel. Er lief in den Flur und riss eine Tür auf, hinter der er das Badezimmer vermutete. Glück gehabt, sagte er sich und ging vor der Klomuschel auf die Knie. Danach spülte er sich den Mund aus und wusch sich das Gesicht. Er sah sein Spiegelbild, sein wirrer Blick erschreckte ihn. Er nahm ein Handtuch mit für den Fall, dass er sich noch einmal übergeben musste, und setzte sich im Flur auf einen Hocker. Dann rief er im Kommissariat an.
"Ja, gebt mir einen Einsatzleiter von der Wega … Servus Schäfer hier … Ich brauche ein Team am Brunnenmarkt … Wir suchen einen Türken, der dringend tatverdächtig ist, seine Tochter ermordet zu haben … Ähm, warte einen Moment …" Schäfer ging ins Wohnzimmer und fragte den Jungen, wie sein Vater hieß und ob er ein Foto von ihm hätte.
"Ceki Büyük … Ich schicke einen meiner Leute mit dem Foto zum Brunnenmarkt, Ecke Thaliastraße … Ja, Admiral, Bezikim, die üblichen Läden halt … Sicher, volle Montur, großer Aufmarsch … Tut mir einen Gefallen und werft ein paar Tische um … Danke Bernhard."
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  Brunnenmarkt

Near fragment in time

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"Damit war eine ursprüngliche multifunktionale Armen- und Alten-Versorgungseinrichtung in eine Medizinische Institution umgewandelt worden. im gleichen Jahr wurde daneben ein Gebär- und Findelhaus errichtet, das der Eindämmung des von Aufklärern heftig kritisierten Kindesmords dienen sollte. Die ledigen, überwiegend armen Mütter konnten hier ihre Kinder anonym zur Welt bringen. Ebenfalls 1748 wurde in Wien ein "Irrenhaus", das im sogenannten "Narrenturm" untergebracht war, seiner Bestimmung übergeben"
pp 105 from Armut und Reichtum in der Geschichte Österreichs by Ernst Bruckmüller

Near fragment in space

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Das Lokal, in dem der Slam stattfindet, liegt in einem U-Bahn-Bogen am Gürtel, und man kann durch verglaste Bögen auf beiden Seiten nach draußen sehen. Der Raum ist voll, es gibt zu wenige Sitzplätze, das Publikum steht sogar im Durchgang zum vorderen Zimmer. Wir sitzen an einem kleinen Tisch, der kippt, wenn ich mich mit den Ellbogen aufstütze. Die Bedienung bringt unsere Getränke. Paul trinkt einen großen Schluck. Ich überlege, ob er heute Abend blasser aussieht oder ob das bloß das Licht macht.
"Geh du alleine da hoch." Er wirkt angespannt.
"Wie meinst du das?"
"Mir liegt sowas nicht."
"Mir doch auch nicht. Paul, du kannst das doch gar nicht wissen."
"Ich möchte wirklich nicht."
"Wie du meinst ..."
Wie zur Entschuldigung greift er nach einem Stapel Jurykärtchen,d ie gerade von der Bühne herab verteilt werden. Er lächelt mir dabei zu, mit der rechten Seite ein bisschen mehr als mit der linken, kurz wieder ein verlegener Junge, sein Haar steht ihm heute etwas zu Berge, überhaupt scheint mir der ganze Paul ein wenig neben der Spur.
Ich bin aufgeregt. Meine Aufmerksamkeitsspanne ist nicht einmal mit der Kürze dieser Texte kompatibel. Als ich an der Reihe bin, wird nichts besser. Der einzig helle Scheinwerfer blendet mich, ich sehe mein Publikum nicht, worüber ich eigentlich froh bin. Ich erzähle gewollt pointiert von meiner letzten Demo. "Macht kaputt, was euch kaput macht" und so weiter, nur nicht davon, dass die auch schon weider einige Jahre her ist, und alle dreißig Sekunden lasse ich das Publikum "Arschkackpissbullenschwein" brüllen, weil ich glaube, dass sie alle ihren Plenzdorf gelesen haben und das intellektuell stimulierend finden. Sie schreien es fünfmal, von Mal zu Mal nimmt der Enthusiasmus ab, die letzten zwei Mal klingen nur noch widerwillig. Paul reißt trotzdem die Fünf in die Höhe.
"Lieb gemeint", sage ich, während Pauls Wertung nicht gezählt wird.
Am Ende bin ich Vorletzte.
"War wohl nicht politisch genug", sage ich zu Paul und nehme meinen "Ein Bush ist auch nur Botanik"-Button und im die Jurykärtchen ab.
Den Rest des Abends verbringen wir zwischenrufend vor immer größeren Gläsern, und nachdem von den ganzen Stegreifpoeten und Spoken-Word-Penetranten nichts mehr zu sehen ist, sind wir schon etwas betrunken.
pp 135-137 from Chucks by Cornelia Travnicek