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Holzfällen - pp 87-88

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Und so viele Jahre bin ich tagtäglich, muß ich sagen, schon am späteren Nachmittag zur Joana in die Simmeringer Hauptstraße hinaus, vorher noch zum Dittrich um die Weinflaschen aufzunehmen in meinen Armen, um mit der Joana zusammen zu sein bis in der Frühe und mit dem ersten Einundsiebziger in die Stadt zurück zu fahren oder ganz einfach von ihr aus zu Fuß die Simmeringer Hauptstraße zurück, den Rennweg hinunter, über den Schwarzenbergplatz bis nach Währing. Das waren noch Zeiten, dachte ich auf dem Ohrensessel, wie noch die Pferdewagen vor den Milchgeschäften Halt gemacht haben in der Nacht und ich mitten auf dem Rennweg und quer über den Schwarzenbergplatz und den vollkommen leeren Ring entlang nach Hause gehen habe können ohne fürchten zu müssen, überfahren zu werden. Wenn überhaupt einem Menschen, so bin ich bei diesen Gelegenheiten doch nur Meinesgleichen und das heißt, einem Betrunkenen begegnet, und ein die Nacht durchkreuzendes Automobil war eine Seltenheit. Niemehr im Leben habe ich so viele italienische Arien gesungen, wie damals auf dem Weg von der Simmeringer Hauptraße auf den Rennweg und über den Schwarzenbergplatz nach Währing, dachte ich auf dem Ohrensessel.
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Das Café de l`Europe hatte einige merkwürdige Eigenschaften. Zunächst war es bummvoll, sommers und winters und zu welcher Tageszeit man es betrat. Denn es war kein Aufenthalts- sondern ein Durchgangscafé. Die Glastüre im Eingang drehte sich ununterbrochen, Tag und Nacht, und oft konnte man während einer Stunde denselben Hut, denselben Bart, dieselbe Diebsnase zehnmal in Rotation sehen. Man kam schauen und ging. [...] Zweitens: Von hier ging das Zitat aus "Ende nie". Das Café de l`Europe war ein großstädtisches Perpetuum mobile, ein Wunder der Rastlosigkeit und Unaufhörlichkeit und als solches auf Nachtfürchtige und Todesängstliche beruhigend wirkend. In der Früh saßen Übernächtige und Ebenaufgestandene an einem Tisch und sahen sich aus fernen Welten an; jene mit heuchlerisch-überschärftem, wegscheuem Verachtungsauge, diese feuchtwimprig, frischgewaschen, rosenbackig, voll überlegenem Neid - zwei Rassen: Tag- und Nachtmensch, Lüderjahn und Bürger, einander widersprechend wie Lackschuh auf tauigem Almgras.
pp 35 from Zeitgeist im Literatur-Café by Anton Kuh

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"Im Café Heumarkt bin ich immer noch böse auf Lina, denn sie ist die gefährliche Mitwisserin mancher meiner Gedanken, sie hört mich auch manchmal Sätze am Telefon sagen, die für sie die reine Häresie sind und die es ihr erlauben würden, mich sofort aus dem Fenster zu stürzen, mich auf die Guillotine zu schicken, in die Garotte, mich auf einem Scheiterhaufen zu verbrennen."
pp 120 from Malina by Ingeborg Bachmann