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Tacheles - pp 125
Das Erste, das Bronstein ins Auge fiel, als er die "Wiener Zeitung" vom Tage aufschlug war die Todesanzeige für den alten Demand. "Tieferschüttert geben wir bekannt, dass unser innigst geliebter, unvergesslicher Gatte, Vater, Schwiegervater, Großvater", stand da zu lesen, "uns am Sonntag, dem 1. Juli 1934, plötzlich inmitten seines ständigen Schaffens und wirkungsvollen Lebens durch den Tod entrissen wurde." Das haben sie aber schön gesagt, dachte Bronstein und unterdrückte ein Grinsen. Doch es kam noch besser: "Die entseelte Hülle des teuren Verblichennen wird in der Dr. karl Lueger Gedächtniskirche auf dem Wiener Zentralfriedhofe aufgebahrt, dortselbst Donnerstags, dem 5.Juli 1934, um 12 Uhr 10 feierlich eingesegnet und sodann auf demselben Friedhof nach nochmaliger Einsegnung in die Familiengruft zur ewigen Ruhe gebettet.
Near fragment in time
Ich schwinge mich also aufs Rad und trete in die Pedale, bis der Beton des Gehwegs als Steilküste in den Donaukanal kippt. Hier, an diesem Strandplazebo, gedenke ich ein Bier zu trinken. Die Freuden des Erwachsenendaseins. Der Türsteher am Tor zum Gastgarten des coolen Clubs will meine Tasche gar nicht erst durchsuchen, was ihm eine Weigerung meinerseits, mir eine darauf folgende Zutrittsverweigerung seinerseits und uns beiden einige Unannehmlichkeiten, wie z.B. vom Schreien heisere Stimmen, erspart. Mir außerdem Geld: Alles was am Donaukanal liegt, betrachte ich als Picknickzone, setze also auf Selbstversorgung. Ich platziere mich möglichst weit vom Türsteher entfernt auf einen der Holztische, ziehe die Bierflasche – deren Marke zur im Lokal ausgeschenkten passt – aus dem Rucksack und will mein Karma auf Reisen schicken, das aber selbstbestimmt auf meiner Schulter hocken bleibt. Neben mir am Tisch wird diskutiert. Eine Gruppe ziemlich euphorischer Frauen mit teilrasierten, wasserstoffgebeizten Haaren und in zu engen Hosen und zu weiten, ideologisch aufgeladenen T-Shirts bespricht den Zustand der Welt im Allgemeinen und den Zustand ihrer Band im Speziellen. Mein Karma unterhält sich köstlich. Ich trinke einen Schluck Bier. Es ist warm und schäumt über.
pp 43 from Freischnorcheln by
Near fragment in space
Vor dem Hauptportal des Zentralfriedhofs steige ich aus. Er öffnet seine Tore um sieben Uhr. Ich blicke auf mein Handgelenk. Noch fünfzehn Minuten. Ich lehne mich an einen steinernen Pfosten. Beobachte eine Nebelkrähe, die eine Walnuss aus einigen Metern Höhe auf die Straße fallen lässt. Die Schale der Nuss bricht auf. Eine Rabenkrähe lässt sich von der Friedhofsmauer gleiten. Greift den Kern mit ihren Krallen. Verschwindet mit dem Diebesgut. Mit der nächsten Walnuss fliegt die Nebelkrähe nicht so hoch. Sie muss sie fünfmal auf den Asphalt fallen lassen, bis ihre Schale zerspringt.
Der Zentralfriedhof ist der größte Friedhof Europas, vielleicht sogar der Welt. Es kommt darauf an, ob man ihn nach seiner Fläche oder nach den auf ihm begrabenen Toten beurteilt. Auf einer Tafel in der Nähe des Haupteinganges lese ich, dass er über zwei Komma fünf Millionen Quadratmeter misst. Drei Millionen Menschen hätten hier ihre letzte Ruhestätte gefunden. Das Gelände ist Lebensraum für viele Tiere. Auf dem Dach der Boromäus-Kirche brüten Turmfalken. Mit ein wenig Geduld und zur rechten Uhrzeit könne man Waldkäuze beobachten, die im Unterholz nach Mäusen und Feldhamstern jagen, die gerne von den Blumenkränzen naschen.
pp 97-98 from Gegen einsam by
Der Zentralfriedhof ist der größte Friedhof Europas, vielleicht sogar der Welt. Es kommt darauf an, ob man ihn nach seiner Fläche oder nach den auf ihm begrabenen Toten beurteilt. Auf einer Tafel in der Nähe des Haupteinganges lese ich, dass er über zwei Komma fünf Millionen Quadratmeter misst. Drei Millionen Menschen hätten hier ihre letzte Ruhestätte gefunden. Das Gelände ist Lebensraum für viele Tiere. Auf dem Dach der Boromäus-Kirche brüten Turmfalken. Mit ein wenig Geduld und zur rechten Uhrzeit könne man Waldkäuze beobachten, die im Unterholz nach Mäusen und Feldhamstern jagen, die gerne von den Blumenkränzen naschen.