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Das Vaterspiel - pp 238-240
Es klarte wieder auf, und es kam sogar die Sonne heraus, als das Konzert noch im Gange war. Mir kam es vor, als hätte der Regen Stunden gedauert. Ich ging in die Arena zurück. Die Bühne war überdacht, aber die Zuhörer stan-den bis zu den Knöcheln in einem Sumpf. Nur wenige hat-ten Regenkleidung oder Schirme bei sich. Sie meisten wa-ren, so wie ich, völlig durchnässt. Das trübte die Stimmung aber nicht. Von den Menschen, die sich am Bühnenrand drängten und immer noch im Rhythmus der harten Beats sprangen, stieg eine Dampfwolke auf und dann, nach dem Schlussakkord, ein endloses Kreischen und Pfeifen. Wäh-rend die Menschen zum Ausgang drängten, viele von ihnen mit den Schuhen in den Händen, hielt ich mich am Rande der Tribüne an einer Eisenstange fest, um nicht vom Strom mitgerissen zu werden. Auch Gerhard und den beiden Frauen klebten die Kleider am Körper. Meine Schwester trug, wie immer, einen schwarzen Büstenhalter, der nun an der Innenseite des T-Shirts klebte. Bibi, das war deutlich zu sehen, hatte ein leicht vorstehendes Brustbein, aber nicht den geringsten Ansatz eines Busens. Hingegen hatte sie große, abstehende Brustwarzen, auf die ich so lange und offenbar so auffällig schaute, bis Bibi ihre Bluse von der Brust wegzog und nichts mehr zu sehen war.
Wir fuhren in eine Pizzeria in der Margaretenstraße, in der meine Schwester und Gerhard schon öfter gewesen wa-ren. Dort gab es eine gute vegetarische Pizza. Aber die Kellnerin wollte uns, weil wir so nass waren, anfangs gar nicht Platz nehmen lassen. Gerhard ging zur Wirtin und redete auf sie ein, wobei er gestikulierte, als wäre er ein wasch-echter Italiener. Er hatte Erfolg. Die Wirtin brachte schwarze Abfallsäcke und legte sie auf die Stoffpolsterung der Sitzbank. Prego signori, sagte sie. Gerhard bestellte eine Flasche Chianti, und kurz darauf sah ich meine Schwester das erste Mal Alkohol trinken. Ich begann laut zu lachen, bekam dabei aber den Wein in die falsche Röhre und musste husten.
Was hast du?, fragte Klara
Ich kenne dich überhaupt nicht, antwortete ich mit dem wenigen Atem, den mir das Lachen und Husten ließ. Ich dachte, du bist strikte Antialkoholikerin.
Da seht ihr, wie es bei uns in der Familie zugeht, sagte Klara. Keiner hat eine Ahnung vom anderen.
Stimmt, antwortete ich. Wahrscheinlich hat unser Alter längst zehn Freundinnen, und die Mama geht heimlich auf den Strich.
Die Mama auf den Strich? Das glaubst du wohl selber nicht.
Doch, sagte ich. Ich traue es ihr zu.
Das ist ja nun wirklich der letzte Blödsinn, sagte Klara, und dann suchten wir ein anderes Thema.
Nach dem Essen gingen wir in die Wohnung von Bibi und Gerhard in der Hofmühlgasse, ganz in der Nähe des Margaretenplatzes. Die beiden wohnten in einem Pawlat-schenhaus, bei dem die Wohnungen von einem Arkaden-hof aus begehbar waren. Die Wohnung gehörte den Eltern von Bibi und Gerhard, und so war sie auch eingerichtet. Schleiflackmöbel und ein Kristallluster schon im Vorzim-mer. Bevor die Kinder studierten, hatten die Eltern diese Wohnung nur an Wochenenden benutzt, wenn sie nach Wien in die Oper oder ans Konzert fuhren.
Wir fuhren in eine Pizzeria in der Margaretenstraße, in der meine Schwester und Gerhard schon öfter gewesen wa-ren. Dort gab es eine gute vegetarische Pizza. Aber die Kellnerin wollte uns, weil wir so nass waren, anfangs gar nicht Platz nehmen lassen. Gerhard ging zur Wirtin und redete auf sie ein, wobei er gestikulierte, als wäre er ein wasch-echter Italiener. Er hatte Erfolg. Die Wirtin brachte schwarze Abfallsäcke und legte sie auf die Stoffpolsterung der Sitzbank. Prego signori, sagte sie. Gerhard bestellte eine Flasche Chianti, und kurz darauf sah ich meine Schwester das erste Mal Alkohol trinken. Ich begann laut zu lachen, bekam dabei aber den Wein in die falsche Röhre und musste husten.
Was hast du?, fragte Klara
Ich kenne dich überhaupt nicht, antwortete ich mit dem wenigen Atem, den mir das Lachen und Husten ließ. Ich dachte, du bist strikte Antialkoholikerin.
Da seht ihr, wie es bei uns in der Familie zugeht, sagte Klara. Keiner hat eine Ahnung vom anderen.
Stimmt, antwortete ich. Wahrscheinlich hat unser Alter längst zehn Freundinnen, und die Mama geht heimlich auf den Strich.
Die Mama auf den Strich? Das glaubst du wohl selber nicht.
Doch, sagte ich. Ich traue es ihr zu.
Das ist ja nun wirklich der letzte Blödsinn, sagte Klara, und dann suchten wir ein anderes Thema.
Nach dem Essen gingen wir in die Wohnung von Bibi und Gerhard in der Hofmühlgasse, ganz in der Nähe des Margaretenplatzes. Die beiden wohnten in einem Pawlat-schenhaus, bei dem die Wohnungen von einem Arkaden-hof aus begehbar waren. Die Wohnung gehörte den Eltern von Bibi und Gerhard, und so war sie auch eingerichtet. Schleiflackmöbel und ein Kristallluster schon im Vorzim-mer. Bevor die Kinder studierten, hatten die Eltern diese Wohnung nur an Wochenenden benutzt, wenn sie nach Wien in die Oper oder ans Konzert fuhren.
Near fragment in time
Diese vielen ekelhaften Menschen, Menschen, nun, diese vielen ekelhaften Erscheinungen im damit vollgestopften Autobus 74 A, die Landstraßer Hauptstraße hinauf oder hinunter, welche Qual, ihnen mehrmals täglich ausgesetzt zu sein, ihnen und ihren mitgeführten, mit sich getragenen Schicksalen, Lebensgestaltungen, Alltagsbewältigungen, Kinderwagen, Krücken; Inländer, Ausländer, Wiener, Asiaten, gleichviel, nein, gleichviel nicht, die Wiener, die 'Hiesigen', sind allemal scheußlicher, Paare vor allem, alte und ältere, verstunkene Wiener Ehepaare, wie sie hereinzittern 'in den Autobus', wie sie hinauszittern 'aus dem Autobus', dem Autobus 74 A, fürsorglich um einander bemüht und eben deshalb einander abrundtief gram, wie ich sie hasse!
pp 51 from Kalte Herberge by
Near fragment in space
In der Florianigasse, Höhe Lammgasse, wird getan, als wäre ich nie hier gewesen, als hätte ich nie hier gewohnt. In der Margaretenstraße, kurz nach dem Margaretenplatz, wenn man Richtung Innenstadt geht, wird getan, als wäre ich nie hier gewesen. Als hätte ich nie hier gegessen. In der Skodagasse, da, wo die Lederergasse in sie mündet, wird getan, als wäre ich nie hier gewesen. Als hätte ich hier nie getrunken. In der Siebensterngasse, da, wo die Mondscheingasse von ihr wegführt, wird getan, als wäre ich nie hier gewesen, und das war wohl schon früher so. Als hätten die Straßen zu schöne Namen für mich.
Ich weiß, es fällt keinem auf. Doch es hat sich etwas verändert. Und ihr könnt, wenn ihr wollt, die Stadt nach mir absuchen. Aber in der Margaretenstraße werdet ihr mich nicht finden. Und ihr könnt mich suchen, wenn ihr wollt, in der Siebensterngasse, aber nein, da bin ich bestimmt nicht. In der Florianigasse werde ich auch nicht sein. Und in der Skodagasse, da könnt ihr es schon versuchen, aber das wird nichts bringen, das könnt ihr mir glauben.
pp 7-8 from Verlass die Stadt by
Ich weiß, es fällt keinem auf. Doch es hat sich etwas verändert. Und ihr könnt, wenn ihr wollt, die Stadt nach mir absuchen. Aber in der Margaretenstraße werdet ihr mich nicht finden. Und ihr könnt mich suchen, wenn ihr wollt, in der Siebensterngasse, aber nein, da bin ich bestimmt nicht. In der Florianigasse werde ich auch nicht sein. Und in der Skodagasse, da könnt ihr es schon versuchen, aber das wird nichts bringen, das könnt ihr mir glauben.