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Das Vaterspiel - pp 199-200

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Wurden Ihnen eigentlich auch die Euroschecks gestohlen?, fragte der Bankbeamte. Schlagartig, so erzählte Brigitte, war mir klar, was der fremde Mann in meinem Schlafzimmer wollte. Er hatte die Euroschecks nicht gefunden. Sie waren in einer meiner Handtaschen, die, auf den ersten Blick sichtbar, am Wandhaken hängen. Auf dem Konto fehlte kein Geld. Aber als dieser Bankbeamte seine sachliche Frage gestellt hatte, fiel mir ein, was alles hätte passieren können. Nicht nur das Geld könnte fort sein. Ich hatte ja nicht einmal das Schlafzimmer abgesperrt. Der Mann hätte mich im Schlaf überfallen können.
Ich fuhr zur Universität. Zuerst ging ich ins Neue Institutsgebäude, zum Institut für Publizistik. Aber dort war Günther an diesem Tag noch nicht gesehen worden. So versuchte ich es im Juristentrakt des Hauptgebäudes. Ich fragte alle Studenten, die ich traf. Einige, vor allem, die älteren, kannten ihn. Eine Studentin meinte, der sei jetzt sicher in der Strafrechtsvorlesung. Die werde bald zu Ende sein. Sie nannte mir den Hörsaal. Ich stellte mich vor der Tür auf und wartete. Günther kam aus dem Hörsaal, korrekt gekleidet, wie immer, im Anzug und Krawatte. Er grüßte und gab sich überrascht, mich hier zu sehen.
Komm mit, sagte ich, ich muss mit dir reden.
Was ist los?, fragte er. Er tat, als ob er völlig ahnungslos wäre.
Du weißt genau, was los ist, sagte ich. So geht das ja nicht.
Ich zog ihn in eine Ecke. Jetzt erkläre mir einmal, sagte ich, wer da heute Nacht in der Wohnung war.
Was heißt, in der Wohnung war?
Es geht entschieden zu weit, dass in der Nacht wildfremde Typen auftauchen und auch noch in mein Schlafzimmer eindringen.
Günther gab sich immer noch ahnungslos. Er fragte scheinheilig: War jemand in der Wohnung?
Ich fuhr ihn an: Ich spreche von demjenigen, der plötzlich in meinem Zimmer stand und der mir dann das Geld und die Kreditkarten geklaut hat.
  Das Vaterspiel
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Diese vielen ekelhaften Menschen, Menschen, nun, diese vielen ekelhaften Erscheinungen im damit vollgestopften Autobus 74 A, die Landstraßer Hauptstraße hinauf oder hinunter, welche Qual, ihnen mehrmals täglich ausgesetzt zu sein, ihnen und ihren mitgeführten, mit sich getragenen Schicksalen, Lebensgestaltungen, Alltagsbewältigungen, Kinderwagen, Krücken; Inländer, Ausländer, Wiener, Asiaten, gleichviel, nein, gleichviel nicht, die Wiener, die 'Hiesigen', sind allemal scheußlicher, Paare vor allem, alte und ältere, verstunkene Wiener Ehepaare, wie sie hereinzittern 'in den Autobus', wie sie hinauszittern 'aus dem Autobus', dem Autobus 74 A, fürsorglich um einander bemüht und eben deshalb einander abrundtief gram, wie ich sie hasse!
pp 51 from Kalte Herberge by Werner Kofler

Near fragment in space

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Er betrat auf der Alserstraße direkt neben der Beethovenkirche ein Stehkaffee und bestellte sich eine Schale Gold, ehe er sich, während er auf das Heißgetränk wartete, eine Zigarette anzündete. Am Nebentisch unterhielten sich flüsternd zwei Arbeiter. An Bronsteins Ohr drangen nur einzelne Gesprächsfetzen.
"... der Hitler lasst uns ned hängen. Der kommt, wirst sehen!"
"... aber die Volksabstimmung ..."
"Wirst sehen, die is´ wurscht. Zur Not gibt´s halt an Putsch. Ein erfolgreichen diesmal. Und dann sand´s weg, die ganzen Ostler. Wien wird judenrein, das sag´ ich Dir."
Der zweite Arbeiter, der eben noch skeptisch und bedrückt gewirkt hatte, richtete sich auf. Um eine Nuance lauter sagte er: "Ma, des warat sche. Endlich weg mit de Gfraster. Juden, Zigeiner, Monarchisten, Sozialisten, Kommunisten, Christen, Hahnenschwanzler, ... olle weg! Waun I kenntat, wia I wolltat, I schoffat des ollas o. Heit no."
Bronstein fühlte eine tiefgreifende Übelkeit in sich aufsteigen. In großen Schlucken trank er seinen Kaffee aus und flüchtete sodann eilends aus dem Lokal. Er passierte das Landesgericht, überquerte die Zweierlinie und hielt auf die Universität zu. Dort hielten die politischen Manifestationen an, und in Bronstein machte sich allmählich Panik breit. Immer schneller ging er, bis er am Ring schon fast ins Laufen kam. Beinahe ohne auf den Verkehr zu achten, wechselte er die Straßenseite und befand sich endlich vor dem Präsidium.
pp 102-103 from Zores by Andreas Pittler