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Ewig - pp 124

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Wagner hielt ihm die Kirchentür auf. Beide traten auf den kleinen Platz hinaus und machten sich auf den Weg zur letzten Kirche auf dem Kreis, der Michaelerkirche.
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Bei der Errichtung des römischen Legionslagers Vindobona, des ersten historisch überlieferten Besiedlungskernes von Wien, lag das Hauptbett der Donau wahrscheinlich im Bereich der Gonzagasse. Die hoch liegende Stadtterrasse hatte ein etwas größeres Areal als heute und übersah den Donauhauptstrom an ihrem Fuß und das von zahlreichen Flussarmen durchzogenem Auentiefland auf der anderen Seite. Einer dieser schwächer durchströmten Flussarme, der sogenannte Wiener Arm, lag wahrscheinlich in der Position des heutigen Donaukanals und vereinigte sich im Bereich der Marienbrücke mit dem Hauptstrombett. Im Zuge eines Katastrophalen Hochwassers im späten 3. Jh. Brach ein großer Teil der Stadtterrasse samt dem im Süden darauf liegenden römischen Legionslager weg. Nach dieser Katastrophe herrschte eine völlig veränderte Situation: Der Stadtterrassenabfall und das Hauptstrombett der Donau hatten sich 100m stadteinwärts verlagert und befanden sich nun entlang des heutigen Straßenzuges des Salzgrieses, während der Gonzagassenarm zu versanden begann. Um die erste Jahrtausendwende setzte dann der Nordostverlagerungstrend der Donau, der den Strom schon durch das ganze Eizeitalter hindurch bestimmt hatte, wieder stärker ein. Im 12. Jh. Verlandete dadurch auch der Salzgriesarm und das schiffbare Hauptbett der Donau befand sich nun im Wiener Arm. Drei Jahrhunderte später floss auch im Wiener Arm nur mehr wenig Wasser. Diese Entwicklung war für die mittelalterliche Stadt, die für ihren Gütertransport auf den Wasserweg angewiesen war, äußerst bedrohlich. Man begann den Wiener Arm zu befestigen und zu vertiefen. Im 17. Jh. Wurde schließlich mit Durchstichen und weiteren Regulierungen der ehemalige Wiener Arm endgültig in den heutigen, künstlichen Donaukanal verwandelt.
pp 122-123 from Wien, Umweltstadtführer: Einblick in die Natur einer Großstadt by Christine, Margreth, Isabella Embleton Hamann, Keiler, Teufl

Near fragment in space

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Zwanzig Jahre bin ich den Eheleuten Auersberg aus dem Weg gegangen, zwanzig Jahre habe ich sie nicht ein einziges Mal getroffen und ausgerechnet jetzt habe ich ihnen auf dem Graben begegnen müssen, dachte ich; dass es tatsächlich eine verheerende Dummheit gewesen ist, an diesem Tag auf den Graben zu gehen und auch noch, wie es meine Gewohnheit geworden ist allerdings seit ich aus London nach Wien zurückgekommen bin, auf dem Graben mehrere Male hin und her zu gehen, wo ich es mir hätte ausrechenen können, dass ich die Auersberger einmal treffen muss, und nicht nur die Auersberger, sondern auch alle anderen von mir seit Jahrzehnten gemiedenen Leute, mit welchen ich in den Fünfzigerjahren einen intensiven, wie die Auersberger zu sagen pflegten, intensiven künstlerischen Verkehr gehabt habe; den ich aber schon vor einem Vierteljahrhundert aufgegeben habe, also genau zu dem Zeitpunkt, in welchem ich von den Auersberger weg nach London gegangen bin, weil ich mit ll diesen Wiener Leuten on damals gebrochen habe, wie gesagt wird, sie nicht mehr sehen und mit ihnen absolut nichts mehr zu tun haben wollte.
Auf den Graben gehen heißt ja nichts anderes, als direkt in die Wiener Gesellschaftshölle zu gehen und gerade jene Leute zu treffen, die ich nicht treffen will, deren Auftauchen mir auch heute noch alle möglichen Körper- und Geisteskrämpfe verursacht, dachte ich auf dem Ohrensessel sitzend, und ich hatte aus diesem Grunde schon in den letzten Jahren meiner Wienbesuche von London aus den Graben gemieden und bin andere Wege gegangen, auch nicht auf den Kohlmarkt, selbstverständlich nicht auf die Kärntnerstraße, die Spiegelgasse habe ich gemieden genauso wie die Stallburggasse und die Dorotheergasse und ebenso die von mir immer gefürchtete Wollzeile und die Operngasse, auf welcher ich so oft in die Falle gerade jener Menschen geraten bin, die ich immer am meisten gehasst habe. Aber in den letzten Wochen, dachte ich auf dem Ohrensessel, hatte ich auf einmal ein großes Bedürfnis gehabt, gerade auf den Graben und auf die Kärntnerstraße zu gehen, wegen der guten Luft und dem mir auf einmal angenehmen vormittägigen Menschenwirbel gerade dort und gerade auch auf dem Graben und auf der Kärntnerstraße, wahrscheinlich, weil ich endlich und entschieden dem monatelangen Alleinsein in meiner Währinger Wohnung, meiner mich ja schon stumpfsinnig machenden Isolation entkommen, entgehen wollte.
Ich habe es in den letzten Wochen immer als Geistes- und Körperberuhigung empfunden, die Kärntnerstraße und den Graben entlang und also den Graben und die Kärntnerstraße hin und wieder zurückzugehen; meinem Kopf hat dieses Hinundhergehen genauso gut getan, wie meinem Körper, als ob ich in letzter Zeit dieses Hinundhergehen auf dem Graben und auf der Kärntnerstraße wie nichts notwendig gehabt hätte, lief ich tagtäglich in den letzten Wochen die Kärntnerstraße und den Graben hinauf und wieder herunter; auf der Kärntnerstraße und auf dem Graben war ich auf einmal, offen gesagt, nach monatelanger Geistes- und Körperschwäche, wieder in Gang und zu mir gekommen; es erfrischte mich, wenn ich die Kärntnerstraße hinauflief und auf den Graben und wieder zurück; nur dieses Hinundherlaufen, habe ich dabei immer gedacht, und es ist doch mehr gewesen; nur dieses Hinundherlaufen, sagte ich mir immer wieder und es hat mich tatsächlich wieder denken und tatsächlich wieder philosophieren, mich mit Philosophie und Literatur beschäftigen lassen, die in mir schon so lange zeit unterdrückt, ja abgetötet gewesen waren. Gerade dieser lange krankmachende Winter, den ich unglücklicherweise, wie ich jetzt denke, in Wien und nicht, wie die vorausgegangenen, in London verbracht habe, hat in mir alles Literarische und Philosophische abgetötet gehabt, dachte ich auf dem Ohrensessel; durch dieses Hindundherlaufen auf dem Graben und der Kärntnerstraße habe ich es mir selbst wieder möglich gemacht, und ich führte tatsächlich diesen meinen Wiener Geisteszustand, den ich auf einmal als einen sozusagen geretteten Geisteszustand bezeichnen durfte, auf diese Graben- Kärntnerstraßentheraphie zurück, die ich mir verordnet hatte ab Mitte Jänner.
pp 8-11 from Holzfällen by Thomas Bernhard