« Back to Herrn Kukas Empfehlungen
Herrn Kukas Empfehlungen - pp 46
Wir verstummten und sahen hinaus. Unser Ikarus hielt an einer Ampel vor der Universität. Gleich neben uns wartete ein belgischer Reisebus. Wir standen Fenster an Fenster, nur eine Armlänge voneinander entfernt. Der andere Bus hatte getönte Scheiben, eine Klimaanlage und eine fahrende Toilette. Hinter den Fenstern sah man ausgeruhte Belgier mit Videokameras, die neugierig ihrem Reiseleiter lauschten.
Near fragment in time
STEPHAN: Wie fühlt sie sich jetzt?
AGNES: Gott sei Dank, sie ist eingeschlafen. Und wie habe ich dich gestern gebeten, mich gleich nach dem „Tristan“ nach Hause zu lassen! Aber nein, erst ins Restaurant; dann spazieren gefahren; dann in den Türkenschanzpark; und immer deine Verführungsversuche -
STEPHAN: Verführungsversuche!
pp 29 from Dramen 1: Der Abgrund; Medea in Prag; Die Entscheidung Lorenzo Morenos; Israel, was tun? by
AGNES: Gott sei Dank, sie ist eingeschlafen. Und wie habe ich dich gestern gebeten, mich gleich nach dem „Tristan“ nach Hause zu lassen! Aber nein, erst ins Restaurant; dann spazieren gefahren; dann in den Türkenschanzpark; und immer deine Verführungsversuche -
STEPHAN: Verführungsversuche!
Near fragment in space
Ich befolgte Tamaras Rat und ging nie zu nah an der Hauswand des Universitätsgebäudes entlang, wo oben auf dem Dach die Tauben saßen, sondern so direkt und schnell wie möglich hinein, Obwohl ich keinen Schulabschluss hatte, besuchte ich immer wieder Vorlesungen, von denen ich dachte, dass sie mich interessieren könnten. Einmal saß ich in der philosophischen Fakultät in einem Seminar für Psychoanalyse, vielleicht nur weil es draußen kalt war.
"Wer war Sigmund Freud?", wollte der Vortragende vom Auditorium der Einführungsveranstatung wissen.
"Ein genitalfixierter Frauenfeind", gab ich zur Antwort.
Gelächter aus der Tussifraktion links von mir à la "Iiiih, sie hat 'genital' gesagt." Ich war sehr versucht, ihnen die Zunge rauszustrecken.
Oft ging ich einfach in irgendeinen Hörsaal, ohne zu wissen, welche Vorlesung gerade gehalten wurde, und amüsierte mich damit, anhand des Vortrages und des Aussehens und Verhaltens der Studentinnen auf die Fakultät, das Institut, und dann sogar auf das Thema der Lehrveranstaltung zu schließen.
Es gibt zwei Arten von Lehrveranstaltungen, die man problemlos, ohne angemeldet zu sein, besuchen kann: solche mit zu vielen Studenten und solche mit zu wenigen. Bei den ohnehin zahlreich vorhandenen Zuhörern fällt man nicht weiter auf, und die Vortragenden mit schlecht besuchten Vorlesungen freuen sich über jede weitere Person, ohne nachzufragen, ob man überhaupt berechtigt ist, ihnen zuzuhören.
Mich interessierten vor allem Physik, Chemie und Medizin, und am allermeisten freute ich mich, wenn durch Zufall etwas angesprochen wurde, das Tamara schon mal erwähnt hatte.
Aber ich ging auch aus einem weiteren, ziemlich einfachen Grund zur Universität: Ein Vortragender hatte irgendwann erklärt, die Universität sei ein Ort der Begegnung. Ich aber schätzte vor allem den einfachen Zugang zu Hygieneeinrichtungen. Und einmal, nach einem Seminar über Psychoanalyse, reichte die Schlange vor dem WC bis auf den Gang. Vor mir stand ein Schneewittchen für die Toilette an. Ich hielt meine Hände an der Leine, damit sie ihr nicht über das Haar strichen. Ihr bordeauxroter Schal teilte die Farbe ihrer Lippen. Dass Schneewittchen Reeboks trug, brach das Bild auf, holte sie zurück auf den Boden und mich in die Realität. Schneewittchen lächelte. Es kroch der Geruch nach altem Urin unter unseren Nasen vorbei. Ich hatte das Gefühl, wir wären tief gefallen, wir beide, als müsste ich heute an einem anderen Grund an derselben Stelle stehen und könnte nicht sagen, warum.
pp 122-124 from Chucks by
"Wer war Sigmund Freud?", wollte der Vortragende vom Auditorium der Einführungsveranstatung wissen.
"Ein genitalfixierter Frauenfeind", gab ich zur Antwort.
Gelächter aus der Tussifraktion links von mir à la "Iiiih, sie hat 'genital' gesagt." Ich war sehr versucht, ihnen die Zunge rauszustrecken.
Oft ging ich einfach in irgendeinen Hörsaal, ohne zu wissen, welche Vorlesung gerade gehalten wurde, und amüsierte mich damit, anhand des Vortrages und des Aussehens und Verhaltens der Studentinnen auf die Fakultät, das Institut, und dann sogar auf das Thema der Lehrveranstaltung zu schließen.
Es gibt zwei Arten von Lehrveranstaltungen, die man problemlos, ohne angemeldet zu sein, besuchen kann: solche mit zu vielen Studenten und solche mit zu wenigen. Bei den ohnehin zahlreich vorhandenen Zuhörern fällt man nicht weiter auf, und die Vortragenden mit schlecht besuchten Vorlesungen freuen sich über jede weitere Person, ohne nachzufragen, ob man überhaupt berechtigt ist, ihnen zuzuhören.
Mich interessierten vor allem Physik, Chemie und Medizin, und am allermeisten freute ich mich, wenn durch Zufall etwas angesprochen wurde, das Tamara schon mal erwähnt hatte.
Aber ich ging auch aus einem weiteren, ziemlich einfachen Grund zur Universität: Ein Vortragender hatte irgendwann erklärt, die Universität sei ein Ort der Begegnung. Ich aber schätzte vor allem den einfachen Zugang zu Hygieneeinrichtungen. Und einmal, nach einem Seminar über Psychoanalyse, reichte die Schlange vor dem WC bis auf den Gang. Vor mir stand ein Schneewittchen für die Toilette an. Ich hielt meine Hände an der Leine, damit sie ihr nicht über das Haar strichen. Ihr bordeauxroter Schal teilte die Farbe ihrer Lippen. Dass Schneewittchen Reeboks trug, brach das Bild auf, holte sie zurück auf den Boden und mich in die Realität. Schneewittchen lächelte. Es kroch der Geruch nach altem Urin unter unseren Nasen vorbei. Ich hatte das Gefühl, wir wären tief gefallen, wir beide, als müsste ich heute an einem anderen Grund an derselben Stelle stehen und könnte nicht sagen, warum.