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Bis zur Neige - Ein Fall für Berlin und Wien - pp 227-229

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Die junge Beamtin legte Anna schweigend einen schmalen Schnellhefter auf den Schreibtisch, als die Türe schwungvoll aufgestoßen wurde und ein uniformierter Beamter eine große Styroporbox ins Zimmer trug. »Habt ihr was zu essen bestellt?« Tatsächlich sah der Behälter aus wie eine Lieferung von Essen auf Rädern. Kolonja öffnete eilig den Deckel und ließ ihn mit einem Schrei auf den Boden fallen. »Pfui, das ist ja grauslich.« Anna ahnte schon, was in der Kiste war, und konnte sich das Lachen kaum verkneifen. »Herr Motzko, Sie sind doch hier das Kind vom Land, ich glaub, das ist was für Sie.« Motzko griff in die Box und zog ein durchsichtiges Plastiksackerl heraus. Die große Tigerkatze, die vor ein paar Tagen noch Bachmüllers Einrichtung aufgepeppt hatte, sah bereits ziemlich mitgenommen aus. Erde verklebte das stumpfe Fell, die Zunge hing geschwollen aus dem offenen Maul. »Was machen wir damit?« Kolonja war blass um die Nase und leerte sein Wasserglas in einem Zug. »Obduzieren, was sonst?« »Und was soll das bringen?« »Wir finden raus, ob ihr jemand Kokain verabreicht hat.« »Wie kommst du denn darauf?« »Ich weiß auch nicht, ist einfach so ein Gefühl. Ist doch komisch, dass seine Katze einen Tag nach ihm stirbt, oder?« »Die Obduktion kriegst du nicht genehmigt.« »Keine Sorgen, ich bring sie eh nicht zum Schima, ich geh den kleinen Amtsweg, lass mich nur machen. Motzko, packen Sie das Vieh wieder ein und stellen Sie die Schachtel in den Kühlschrank.« »Das ist ja so was von unappetitlich.« Kolonja verließ das Büro, nicht ohne die Tür geräuschvoll zuzuschlagen. Den Rest des Nachmittags verbrachten sie an ihren Schreibtischen. Anna jagte den Namen Freddy Bachmüller erneut durch sämtliche Datenbanken, musste sich aber rasch eingestehen, dass Gabi Kratochwil sehr sauber gearbeitet hatte. Für den frühen Abend verabredete sie sich mit einer alten Freundin, die eine Tierklinik in der Peter-Jordan-Straße betrieb. Und wenn Elisabeth überrascht war, dass Anna ihr eine Katze zum Obduzieren vorbeibringen wollte, ließ sie es sich zumindest nicht anmerken. Kurz bevor Anna das Büro verließ, rief sie noch einmal Bernhardt auf seinem Mobiltelefon an, erreichte aber nur die Mobilbox. »Hallo. Ich bin’s. Was Neues? Sag mal, gibt es eigentlich schon irgendeine Spur bezüglich dieser Sabine Hansen? Das kann doch nicht so schwierig sein. Melde dich bitte.«
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Leo Zelman beschrieb das Verhalten der österreichischen Bevölkerung gegenüber ihm als Juden pragmatisch anhand zweier Sequenzen: einer Begegnung mit dem Onkel einer Bekannten, in deren Haus er zum Essen eingeladen war.
„ […] hab ich kennen gelernt eine richtige = [lacht] Lotte, hat sie geheißen. Mädchen, dass ich mich dran erinnere. Und ihre Mutter ist zu mal gekommen und hat gesagt, Ich hab von Ihnen gehört, kommen Sie doch mal zu Weihnachten. Nach Hause zu uns in die Herrengasse. Und ich hab schon damals gewohnt am Schotten=, nicht am Schottenring, sondern am Rudolfsplatz Und ich bin dort hingekommen, natürlich auch ein Care-Paket mitgenommen, und dort konnte= der hat nicht mehr gelebt, er ist gefallen, und der Onkel ist gekommen. Und der Onkel hat schon getrunken war eines= das hat mich damals so angeekelt, seit damals trink ich keinen Wein. Und dreht sich um „Von wo bist du?“, sag ich „Ich bin von Lodz“. Wahrscheinlich hat er geglaubt, dass ich ein Volksdeutscher bin, ich hab schon ein bisschen deutsch gesprochen. Sagt er [laut am Anfang], „Na, in Lodz haben‘s wir den Juden dort gezeigt!“[laut Ende] Ich bin so blass geworden, so erschocken worden, es war ein kalter Winder, von der Herrengasse bis am Rudolfsplatz gelaufen ohne Mantel, ist mir nachgelaufen, äh, die - Lotte ist mir nachgelaufen mit dem Mantel ich bin, äh, ohne Mantel weggerannt aber ganz 0 äh […?] ich war ganz nervenschwach, hab nicht schlafen können.
pp 122 from Rückkehr in die Außenwelt: Öffentliche Anerkennung und Selbstbilder von KZ-Überlebenden in Österreich by Melanie Dejnega

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Das Schebesta-Gymnasium im neunzehnten Wiener Gemeindebezirk gibt noch immer als eine der Nobelschulen Wiens. Vor einem halben Jahrhundert von ihrem ersten Direktor, dem legendären Hofrat Schebesta, gegründet, wurde sie bis zum Ende der siebziger Jahre von den Söhnen der oberen Zehntausend besucht. Dann verwarf man in den letzten öffentlichen Lehranstalten die Idee der Geschlechtertrennung, und es wurden erstmals auch Mädchen aufgenommen. Inmitten eines großen Parks mit Hecken, Bäumen und ausgedehnten Sportanlagen liegt das flach gestreckte Gebäude, ein Hort humanistischer Bildung, optisch geprägt von der Sachlichkeit nüchterner Nachkriegsarchitektur.
pp 58-59 from Der Fall des Lemming by Stefan Slupetzky