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Bis zur Neige - Ein Fall für Berlin und Wien - pp 313

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Als sie in der eisgekühlten U6 saß, fand sie die ganze Szenerie plötzlich nicht mehr urban und hip, die Plastiksitze klebten unangenehm an ihren nackten Beinen, die jungen Mädchen sahen alle aus wie vierzehnjährige Nutten, und eine ältere Dame umklammerte ihre Handtasche. An der Station Währinger Straße/Volksoper stieg Anna aus und überquerte den Gürtel. Spätestens beim Gourmet-Spar hatte sie das Gefühl, in der heilen Welt der Vorstadt angekommen zu sein, und obwohl sie manchmal davon träumte, in einem Bezirk zu wohnen, in dem mehr Leben war, fand sie an Tagen wie diesen die Währinger Beschaulichkeit sehr angenehm.
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"Seine Majestät!", rief der Kutscher ehrfürchtig.
Sie standen genau an der Kreuzung zur Mariahilfer Straße. Hier fuhr täglich zweimal der Kaiser in seiner Kutsche durch. Morgens von Schönbrunn zu den Regierungsgeschäften in die Hofburg und am Abend wieder zurück. Tag für Tag winkten die Schaulustigen am Straßenrand dem alten Herrscher zu und stellten ihre Uhren nach ihm, den Seine Majestät war die Pünktlichkeit in Person. Heute am Sonntag fuhr er zu ungewohnter Stunde vorbei. Alle Fiaker und Fuhrwerke hielten an und ließen das kaiserliche Gespann passieren. Gustavs Kutscher erhob sich vom Kutschbock, lüftete seinen Halbzylinder und verbeugte sich tief.
Gustav bewegte sich nicht. Für den Kaiser Franz Joseph hatte er nicht viel übrig. Wenn die schöne Kaiserin Sisi vorbeigefahren wäre, hätte er sich sicher aus dem Fenster gelehnt und ihr zugewunken.
Bis zur Baustelle des neuen Sezessionsgebäudes, das der berühmte Architekt Joseph Maria Olbrich als Ausstellungsgebäude für zeitgenössische Kunst erreichtete, kam seine Drosche nur im Schritttempo vorwärts. Danach ging es recht flott weriter zum Schwarzenbergplatz.
Im Café Schwarzenberg ging es sonntagnachmittags zu wie im Wurstelprater. Der Klavierspieler beendete gerade die Tritsch-Tratsch-Polka, als Gustav das Lokal betrat. Mohnstrudel, Nusskipferl, Guglhupf und üppige Tortenstücke, die einem das Wasser im Mund zusammenlaufen ließen, wurden von hekteischen Kellnern im Sekundentakt an seiner Nase vorbeigetragen. Fröhlich lärmende Gäste, lautes Geschirrgeklapper und klingende Kassen ließen Gustav bald die Flucht ergreifen.
Zum Glück fand er am Fiakerstand gegenüber beim Hotel Imperial eine Droschke. Auf der Praterstraße kamen sie wieder zum stehen. An diesem herrlichen Hochsommertag schien ganz Wien auf die schattigen Wiesen und in die kühlen Wälder des Praters zu flüchten.
Als sie endlich bei der mindestens acht Meter hohen Gedenksäule für Admiral Tegetthoff, dem Sieger in der Schlacht von Lissa - einer der wenigen, wenn nicht gar die einzige Seeschlacht, die Österreichs ruhmreiche Marine je gewonnen hatte -, ankamen, bat Gustav den Kutscher, ihn aussteigen zu lassen. Die Hitze und das fürchterliche Geschaukel hatten seine Übelkeit verstärkt. Er beschloss, gegen das Pochen in seinem Kopf und das flaue Gefühl in seinem Magen anzukämpfen, indem er zu Fuss zur Hauptallee ging.
Nach den vielen Schnäpsen konnte er sich nicht mehr genau erinnern, in welchem der drei großen Kaffeehäuser er mit Margarete von Leiden verabredet war. Schnellen Schrittes eilte er zum Wurstelprater.
pp 124-125 from Der Tod fährt Riesenrad by Edith Kneifl

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My closest friend in Vienna is Alice Springer. She's three years older than I am, gentle and funny, and though she talks almost without stopping she never seems to say anything wounding or indiscreet. Alice sings in the chorus of the Volksoper - a hard life of dirndls and um-pa-pa - and I regard this as a shocking waste because she has a real gift for millinery. Hats come to Alice like dresses come to me and she has total recall for any hat that has ever caught her interest.
She's not a person to complain, but I think of late things have been hard for her. Though she's so pretty - one of those nut-brown women whose eyes and hair have the same russet tint, she's nearly forty and recently there's been a tendency to put her in the second row, often with a hay
bale or a milking stool. And from there, as everyone knows, it's only a short step to the back row in a grey wig with the village elders and a spinning wheel.
I usually pick her up at the theatre and we go and have a spritzer at the Cafe Landtmann. Tonight I was early enough to use the ticket she'd left for me, and so I was privileged to see the whole of a new production from Germany called Student Love. Alice was in the second row again, holding huge steins of beer aloft because it all took place in Heidelberg and about the operetta itself I prefer not to speak.
At the same time people were enjoying it. I noticed particularly a very fat man in the same row as me. He had bright ginger hair parted in the middle and a round red face which clashed with his moustache and it was clear that he was very much moved by what was going on. During the song about the fast-flowing River Neckar he sighed deeply, during the duet in which the nobly born student and the impoverished landlady's daughter plighted their troth, he leaned forward with parted lips, and during the heroine's solo of (strictly temporary) renunciation he was so overcome he had to mop his face several times with a large white handkerchief.
pp 26-27 from Madensky Square by Eva Ibbotson