« Back to Ohnmachtspiele
Ohnmachtspiele - pp 165
Schäfer brauchte jemanden, der psychologisch geschulter war als er, einfühlsamer und erfahrener. Doch keinen der üblichen Gerichtspsychiater, die sich als Profiler selbst profilieren wollten und ihm sagten, dass der Täter männlich war, zwischen fünfundzwanzig und fünfundvierzig und vermutlich irgendwann ein schweres Trauma erlitten hatte. Er brauchte jemanden, der ihn die Beweggründe fühlen ließ. Der ihm die Köpfe und Herzen dieser Monster öffnete. Schäfer wischte mit dem Mantelärmel über eine nasse Sitzbank hinter der Votivkirche, setzte sich und nahm sein Telefon heraus.
Near fragment in time
Wer im Zentrum Wiens aus der U-Bahn am Stephansplatz tritt, sieht als Erstes den Stephansdom, ein riesiges gotisches Bauwerk aus dem 12. Jahrhundert mit Türmen und Katakomben und allem, was europäische Kathedralen so gruselig macht. Der Dom hat ein schon von Weitem erkennbares, mehrfarbig gemustertes Dach, bei dem man blöderweise immer an Burlington-Socken denken muss.
pp 142 from Schlepping durch die Alpen: Ein etwas anderes Reisebuch by
Near fragment in space
"Der Frühling nahte, der Wiener Frühling, dem keines der weinerlichen Chansons jemals etwas anhaben konnte. Keine einzige von den populär gewordenen Melodien enthält die Innigkeit eines Amselrufs im Votivpark oder im Volksgarten. Kein gereimter Liedertext ist so kräftig wie der liebenswürdig grobe, heisere Schrei eines Ausrufers vor einer Praterbude im April. Wer kann das behutsame Gold des Goldregens besingen, das sich vergeblich zu bergen sucht zwischen dem jungen Grün der nachbarlichen Sträucher? Der holde Duft des Holunders nahte schon, ein festliches Versprechen. Im Wienerwald blauten die Veilchen. Die Menschen paarten sich. In unserm Stammkaffee machten wir Witze, spielten wir Schach und Dardel und Tarock. Wir verloren und gewannen wertloses Geld."
pp 143 from Die Kapuzinergruft by