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Chucks - pp 9-11

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Tamara war asozial, so würden das die meisten Leute wohl nennen. Keinen Job, kein Geld, Familie vielleicht, darüber sprach sie nicht. Keine Ausweise, kein Alter, manchmal eine Schlägerei. Tamara war dumm, weil sie alles tat, was ein intelligenter Mensch seinem Körper nicht antut. Aber sie überlebte immer. Und wenn es um mich ging, dann war Tamara fürsorglich und liebenswert.
Als ich sie zum ersten Mal sah, im Schatten des Stephansdoms, mitten unter weiß perückten Touristenfängern, ich war gerade vierzehn, da bat sie mich um eine Zigarettem und ich gab ihr keine. Nicht weil ich keine Zigaretten gehabt hätte, aber ich hatte mir das mit Punks immer vorgestellt wiemit streunenden Hunden: Fütterst du sie einmal, wirst du sie nie wieder los.
Ich fragte sie also, ob ich aussehen würde, als hätte ich Zigaretten, sie sagte Ja. Während ich noch damit beschäftigt war, die Kennzeichen des Zigarettenbesitzes an mir zu identifizieren, meine Mutter durfte davon natürlich nichts wissen, wollte Tamara dann doch lieber Geld.
"Davon kaufst du dir sicher nur Bier! Oder Drogen."
Tamara zog die linke gepiercte Augenbraue hoch, bekam kleine Fältchen in den Mundwinkeln, sah mich prüfend an, legte den Kopf zur Seite wie ein aufmerksamer Hund und pfiff kaum hörbar durch die kleine Lücke zwischen ihren Schneidezähnen.
"Und was, meinst du, sollte ich mir davon kaufen?"
"Keine Ahnung." Ich wollte die Hände in die Taschen stecken und fand keine an meinem Sommerkleid. Eines der Cafés fing meinen Blick. "Eis vielleicht?"
"Eis?"
"Ist ein warmer Tag heute."
"Kaufst du mir ein Eis?"
Was soll man darauf sagen. Wenig später hatten wir beide eine Eistüte in der Hand, ich Zitrone und Tamara Pistazie. Und ich war immer der Meinung gewesen, nur allte Leute mögen Pistazieneis.
Auf einmal hatte ich einen Punk und war unheimlich stolz darauf, selbst Pippi Langstrumpf hat es nur zu einem Affen gebracht.
  Chucks
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  Stephansdom

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"Dr. Richard Klein, 34 Jahre alt, verheiratet, ein Sohn. Seine Frau heißt Helene, ist 28 Jahre alt, eine geborene Meisner. Der Sohn heißt Peter und ist sieben Jahre alt. Die Familie Klein wohnt in einer Villa in der Hasenauerstraße, die sich im Besitz von Max Meisner, dem Vater von Helene Klein, befindet. [...] Nach dem Reifezeugnis studierte er Medizin und promovierte im Jahr 1999 an der Universität Wien. Im selben Jahr erhielt er eine Anstellung im Maria-Theresia-Spital, wo er eine Ausbildung zum Facharzt absolvierte.
pp 103 from Canard Saigon by Harald Friesenhahn

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Ich fahre in die Stadt, das sagen nur Leute, die in der Stadt wohnen, noch tiefer in die Stadt, ins Zentrum, zum Stephansplatz. Ich finde keinen Parkplatz, bin aber spät dran, sehr spät, der nächste Termin, ich stelle das Auto auf den Gehsteig, ist doch wirklich egal, Geld habe ich ja. Ich laufe los, suche die Straße, wo ist der verdammte Plan, jede Ecke sieht für mich gleich aus, das ist so. Kurz zuvor: ich sitze im Auto, schaue in die Gegend, tippe auf den Stadtplan, überlege mir genau, wo ich hin muss, was ich da soll, wie lang es dauern wird, wo ich parke, wer ich bin. Dann fahre ich los, vergesse alles, habe nie existiert, komme an, viel zu spät, es ist mir egal, nerven, das tut es trotzdem.
pp 37-38 from stillborn by Michael Stavarič