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Der Tod fährt Riesenrad - pp 71-72
Die Ansprachen dauerten eine kleine Ewigkeit. Die Sonne brannte erbarmungslos auf die Schaulustigen herab. Tausende waren an diesem heißen Julitag gekommen, um beim Eröffnungs-Spektakel dabei zu sein. Die wenigsten von ihnen konnten sich eine Fahrt mit dem Riesenrad leisten. Der Fahrpreis betrug heute am Eröffnungstag sechzehn Kronen, hatte Gustav auf einem Schild vor dem Kassenhäuschen gelesen. Für die meisten Leute war das mehr als ein Wochenlohn. Trotzdem waren die Wiener begeistert von diesem vierhundertdreißig Tonnen schweren Stahlbauwerk, das dreißig rote Kabinen in Bewegung setzen konnte.
Nachdem die Militärkapelle die Kaiserhymne "Gott erhalte, Gott beschütze unseren Kaiser, unser Land!" gespielt hatte, erklang zu Ehren der Ingenieure auch die britische Nationalhymne "God save the Queen". So manch österreichischer Patriot in den hinteren Reihen begann zu meckern. Gustav wusste, dass die Einzelteile in London angefertigt und in Wien an Ort und Stelle zusammengebaut worden waren. Seiner Meinung nach gebührte den Engländern zumindest ein kleines Dankeschön.
Nachdem der Kardinal-Erzbischof das Ungetüm gesegenet hatte, setze es sich langsam und schwerfällig in Bewegung. Unbeschreiblicher Jubel brach aus. Die Leute klatschten wie wild und renkten sich die Hälse aus, um einen Blick auf die ersten mutigen Fahrgäste zu erhaschen. Bei all dem Gedränge fiel es Gustav schwer, seinen guten Platz zu behaupten.
Ein Livrierter mit weißen Handschuhen öffente die Tür der Gondel, die vor den Ehrengästen zum Stillstand gekommen war.
Nachdem die Militärkapelle die Kaiserhymne "Gott erhalte, Gott beschütze unseren Kaiser, unser Land!" gespielt hatte, erklang zu Ehren der Ingenieure auch die britische Nationalhymne "God save the Queen". So manch österreichischer Patriot in den hinteren Reihen begann zu meckern. Gustav wusste, dass die Einzelteile in London angefertigt und in Wien an Ort und Stelle zusammengebaut worden waren. Seiner Meinung nach gebührte den Engländern zumindest ein kleines Dankeschön.
Nachdem der Kardinal-Erzbischof das Ungetüm gesegenet hatte, setze es sich langsam und schwerfällig in Bewegung. Unbeschreiblicher Jubel brach aus. Die Leute klatschten wie wild und renkten sich die Hälse aus, um einen Blick auf die ersten mutigen Fahrgäste zu erhaschen. Bei all dem Gedränge fiel es Gustav schwer, seinen guten Platz zu behaupten.
Ein Livrierter mit weißen Handschuhen öffente die Tür der Gondel, die vor den Ehrengästen zum Stillstand gekommen war.
Near fragment in time
Ich erinnere mich an jedes Detail des Tages, an dem ich am Schottenring in die Straßenbahnlinie 2 einstieg, um mich das erste Mal mit Tamara am Karlsplatz zu treffen. Ich weiß noch, der Himmel war eine weite hellgraue Fläche, die trotzdem blendete. Die Straßenbahn, in der ich auf einem Einzelplatz saß, war alt, ich konnte die Rillen im Holzboden durch die dünn gewordenen Sohlen meiner Chucks spüren. Ich drückte die Nase an die Scheibe, Mütter verbieten da ihren Kleinkindern immer. Was ich sah, erinnerte mich an überbelichtete Bilder in vergilbten Reiseführern: die alte Börse, die Votivkirche, die Universität. Das Burgtheater, das Rathaus, das Parlament. Der Volksgarten, das Naturhistorische und das Kunsthistorische Museum, der Heldenplatz. Die Hofburg, der Burggarten, die Staatsoper. Diese Straßenbahnfahrt war eine lange, bescheuerte Sightseeingtour durch dieses Wien, das mit seinem an dieser Stra0e konzentrierten Prunk anzugeben schien. Genau das jedoch hatte einen herben Beigeschmack, jemand meinte mal, die Stadt sehe so traurig aus: all diese imperialen Gebäude und kein Imperium, um es zu regieren. Und genauso empfand ich es auch.
pp 12-13 from Chucks by
Near fragment in space
"Jetzt weicht Fräulein Kohut einem frech nach ihr tappenden Jugoslawen aus, der ihr eine defekte Kaffeemaschine und seine fernere Begleitung zumutet. Er muß nur noch zusammenpacken. Erika steigt, den Kopf gezielt abwendend, über etwas unsichtbares hinweg und zielt auf die Praterauen ab, in denen der einzelne sich rasch verliert. Sie allerdings strebt keinen Verlust ihrer Person an, sondern eher: Gewinn. Und - angenommen, sie verlöre sich - ihre Mutter, deren Besitzstand sie seit ihrer Geburt mehrt, würde sofort ihre Ansprüche anmelden gehen. Dann suchte das ganze Land nach ihr, mit Presse, Rundfunk und Fernsehen. Etwas zieht Erika saugend in diese Landschaft hinein, und nicht zum ersten Mal heute. Sie war schon öfter hier. Sie kennt sich aus. Die Menschenmeng dünnt aus. Sie zerfließt an ihren Rändern, die einzelnen Individuen streben auseinander gleich Ameisen, von denen jede eine bestimmte Aufgabe in ihrem Staat übernommen hat. Nach einer Stunde präsentiert das Tier dann stolz ein Stück Obst oder Aas.
Eben haben sich an den Haltestellen noch Menschentrauben, Gruppen und Inseln zusammengeballt, um irgendwo gemeinsam hinzustürzen, und nun, da es, von Erika gut berechnet, rasch dunkel wird, erlöschen auch die Lichter menschlicher Anwesenheit. Um die künstlichen Lichter der Lampen hingegen ballt es sich immer mehr zusammen. Hier, im Abseits, befinden sich übergangslos nur mehr jene, die beruflich hier sein müssen. Oder die ihrem Hobby, dem Vögeln oder eventuell dem Berauben und Töten der von ihnen gevögelten Person nachgehen. Manche schauen auch nur ruhig zu. Ein kleiner Rest entblößt sich gezielt bei der Station der Liliputbahn."
pp 138-139 from Die Klavierspielerin by
Eben haben sich an den Haltestellen noch Menschentrauben, Gruppen und Inseln zusammengeballt, um irgendwo gemeinsam hinzustürzen, und nun, da es, von Erika gut berechnet, rasch dunkel wird, erlöschen auch die Lichter menschlicher Anwesenheit. Um die künstlichen Lichter der Lampen hingegen ballt es sich immer mehr zusammen. Hier, im Abseits, befinden sich übergangslos nur mehr jene, die beruflich hier sein müssen. Oder die ihrem Hobby, dem Vögeln oder eventuell dem Berauben und Töten der von ihnen gevögelten Person nachgehen. Manche schauen auch nur ruhig zu. Ein kleiner Rest entblößt sich gezielt bei der Station der Liliputbahn."