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Holzfällen - pp 27-29

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Tatsächlich habe ich den erwarteten Schauspieler einmal vor vielen Jahren auf dem Burgtheater in einer dieser ekelhaften englischen Gesellschaftspossen gesehen, in welchem die Dummheit nur dadurch erträglich ist, weil sie englisch und nicht deutsch oder österreichisch ist und die auf dem Burgtheater im letzten Vierteljahrhundert immer wieder mit entsetzlicher Regelmäßigkeit gespielt werden, weil sich das Burgtheater in diesem letzten Vierteljahrhundert vor allem auf die englische Dummheit spezialisiert und das Wiener Burgtheaterpublikum an diese Spezialisierung gewöhnt hat und er ist mir tatsächlich als Burgschauspieler in Erinnerung, als ein Schauspieler also, ein sogenannter Wiener Publikumsliebling und Burgtheatergeck, der in Grinzing oder Hietzing eine Villa hat und auf dem Burgtheater jener österreichischen theatralischen Dummheit den Narren macht, die nun schon seit einem Vierteljahrhundert auf dem Burgtheater zuhause ist, als einer jener geistloser Brüller, die aus der sogenannten Burg in diesem letzten Vierteljahrhundert unter Mitwirkung aller an ihr engagierten Direktoren eine theatralische Dichtervernichtungs- und Schreibanstalt der absoluten Gehirnlosigkeit gemacht haben. Das Burgtheater ist künstlerisch schon so lange bankrott, dachte ich auf dem Ohrensessel, das gar nicht mehr ausgemacht werden kann, wann dieser künstlerische Bankrott eingetreten ist und die Schauspieler, die auf dem Burgtheater auftreten, und die allabendlich auf dem Burgtheater auftretenden Bankrotteure.
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Mit fünfzehn Jahren war ich kein Revolutionär und auch mein Freund Poldi war es nicht, als wir am 12. November 1918 in der Strauchgasse, knapp vor dem Eingang des Café Central, gemeinsam in die johlende Menge drängten, die abwechselnd "Nie wieder Krieg!", "Nieder mit Habsburg!" und "Hoch die Republik" schrie.[...] Es war eine müde Revolution. Eine Revolution, die sich im Vergleich mit großen historischen Aufständen und Umwälzungen, wie wir sie aus dem Geschichtsunterricht kannten, eher in Passivität vollzog, in retardierenden Phasen, denn erst Stunden später langten organisierte Gruppen von Arbeitern im Regierungsviertel ein, die sich dann durchwegs diszipliniert verhielten. Wir beschlossen, ins Café Central zu gehen, um dort vielleicht den Dichter Franz Werfel aus der Nähe zu sehen. Im Tumult vor dem Landhaus war uns ein dunkelgekleideter rundlicher Mann aufgefallen, der auf den Stufen vor dem Caféportal stand, begeistert seinen Hut schwenkte und einige zündende Parolen in die Menge schrie, während die langen Locken um seinen Mund wehten. Jemand neben uns sagte:"Das ist der Dichter Franz Werfel".
pp 69-70 from Veruntreute Geschichte. Die Wiener Salons und Literatencafés by Milan Dubrovic

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Aber was sind alle diese Städte gegen Wien, sagte er. Wir hassen diese Stadt und lieben sie doch, wie keine andere, sagte er. Wie wir, zugegeben, auch das Burgtheater hassen und doch lieben wir kein anderes.
pp 186 from Holzfällen by Thomas Bernhard